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Die Geschichte von Marie und Julien
Frankreich 2003, Laufzeit: 150 Min.
Regie: Jacques Rivette
Darsteller: Emmanuelle Béart, Jerzy Radziwilowicz, Anne Brochet, Bettina Kee, Olivier Cruveiller, Mathias Jung, Nicole Garcia

In seinem neuesten Werk schildert Jacques Rivette, der französische Regieveteran der Nouvelle Vague, eine mystisch sensible Liebesgeschichte. Zugleich ist es seine erste Zusammenarbeit mit Emmanuelle Béart seit dem mehrfach preisgekrönten Drama "Die schöne Querulantin" von 1991. Der einsame Uhrmacher Julien lebt ein zurückgezogenes Leben. Seinen kargen Unterhalt bessert er auf, indem er die rätselhafte Madame X erpresst. Das geschieht beinahe beiläufig und erfolgt vollkommen emotionslos. Julien ist ein resignierter Mann mittleren Alters. Seine leicht depressive Stimmung ändert sich erst, als er zufällig seine alte Affäre Marie wieder trifft. Schnell entbrennt zwischen den beiden erneut das Feuer der Leidenschaft und Marie zieht in Juliens Landhaus ein. Außerhalb ihres fantasievollen Bettgeflüsters hält sie ihren Liebhaber aber aus unerklärlichen Gründen auf Distanz. Für Julien ist das ein verwirrender Zustand, zumal ausgerechnet Madame X die wahren Gründe für Maries unterkühltes Verhalten zu kennen scheint. Jacques Rivette ist bekannt für unbequeme Filme und seinen Hang zur Überlänge. Auch wenn der französische Regisseur in "Die Geschichte von Marie und Julien" erstmals in seiner Karriere auf detaillierte Erotikszenen zurückgreift, reiht sich das eindringliche Liebesdrama nahtlos in sein Œuvre ein. Stattliche zweieinhalb Stunden lässt sich Rivette für die Entwicklung seiner quälenden Liebesgeschichte Zeit. Ein Großteil des Films beschäftigt sich allein damit, die Geheimniskrämerei um Marie aufzubauen. Wer ist diese Frau? Das fragt sich Julien, sehr nachdenklich gespielt von dem gebürtigen Polen Jerzy Radziwilowicz, in jeder Szene aufs Neue. Aber auch Marie selbst scheint sich darüber nicht sicher zu sein. Ihre Unsicherheit über die eigene Vergangenheit quält sie derart stark, dass sie des Öfteren einfach erstarrt, wenn ihr Julien zu nahe kommt. Je intimer ihre Beziehung wird, je fantasievoller ihre sexuellen Spiele ausufern, desto mehr wendet sich Marie von dem Uhrmacher emotional ab. Emmanuelle Béart, zuletzt in "Nathalie" zu sehen, spielt die geheimnisvolle Frau wortkarg und mit leidenschaftslosem Blick. Und doch wirkt sie bei all ihrem Handeln überaus sinnlich. Wie ein Geist schwebt sie nach ihrem Einzug durch die verstaubten Flure des Landhauses. Rastlos stürzt sie sich in die Restauration eines Zimmers. Über ihr mysteriöses Verhalten darf im Verlauf des Films viel spekuliert werden und doch löst es sich erst ganz am Ende mit einer überraschenden Wendung auf. Rivette erzählt die leidenschaftliche Geschichte von Marie und Julien in vier Kapiteln. Der Blickwinkel verschiebt sich dabei immer mehr von Juliens Position in die Richtung von Marie. Wie so oft in seinen Filmen erweist sich der französische Konstrukteur dabei als Meister der mise-en-scne. Rivette erschafft Atmosphäre und platziert seine Darsteller. Nichts überlässt er dem Zufall, ein inhaltliches Rädchen greift nahtlos in das andere.

(Oliver Zimmermann, playtime by biograph)

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