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Whisky
Uruguay/Argentinien/Deutschland 2004, Laufzeit: 94 Min., FSK 0
Regie: Juan Pablo Rebella, Pablo Stoll
Darsteller: Andres Pazos, Mirella Pascual, Jorge Bolani, Ana Katz, Daniel Hendler

Mit hochprozentigen Getränken hat WHISKY nichts zu tun. Der Titel bezieht sich auf das Wort, welches man ähnlich dem "Cheese" ruft, um auf Fotos einen fröhlichen Gesichtsausdruck zu simulieren. Das haben Schon mit seinem Debüt "Zeit der trunkenen Pferde" machte der 37-jährige im iranischen Kurdistan geborene Bahmann Ghobadi auf sich aufmerksam und heimste Preise auf Festivals in der ganzen Welt ein. Mit seinem zweiten Spielfilm "Schildkröten können fliegen" bleibt er seinem Thema treu: Er zeigt die Auswirkungen des Krieges auf die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft - die Kinder, die sich im Wahnsinn von Hunger und Krieg ihre eigene Welt schaffen und dabei das wenige einsetzen, was ihnen geblieben ist, die Solidarität untereinander. Ein kurdisches Flüchtlingslager im Grenzgebiet zwischen Iran und Irak kurz vor dem Angriff der Amerikaner auf den Irak: Es herrscht bittere Armut, die Felder sind vermint. Jeder Schritt kann zur lebensbedrohlichen Gefahr werden. Aber die Minen gehören auch zu den wenigen Einnahmequellen. Sie werden als "second-hand-"-Kriegsgerät weiter verkauft und Kinder sind als Sammler dieser "Feldfrüchte" besonders gefragt. Die in den Flüchtlingslagern lebenden Kriegswaisen haben nichts zu verlieren. Das Minensammeln ist ihre einzige Verdienstmöglichkeit, um nicht zu verhungern und viele sind ohnehin schon verstümmelt Der 13-jährige "Satellit" ist der Anführer einer Flüchtlingskinder-Gang. Seine Stellung und seinen Spitznamen verdankt er der Tatsache, dass er die Dörfer rund um das Lager mit Satellitenschüsseln versorgt, die er auf dem Markt ersteht und seinen rudimentären Englischkenntnissen, die es ihm ermöglichen, den Dorfbewohnern weis zu machen, er verstehe die US-Nachrichten auf CNN und sei informiert über die neuesten Entwicklungen im bevorstehenden Krieg. Eines Tages begegnet Satellit dem Mädchen Agrin, die mit ihrem zweijährigen blinden Sohn Digah und ihrem verstümmelten Bruder Hengow, dem hellseherische Kräfte nachgesagt werden, durchs Land streift. Er verliebt sich in die Gleichaltrige und versucht ihr zu helfen, wo es geht. Doch Agrin kann seine Zuneigung nicht erwidern. Traumatisiert von der Vergewaltigung durch irakische Soldaten, würde sie am liebsten ihrem Leben und dem ihres Sohnes, dem sie in Hassliebe verbunden ist, ein Ende setzten. Eines Tages bindet sie den Kleinen mitten in einem Minenfeld an einen Baum und überlässt ihn seinem Schicksal. Als Satellit ihn dort findet, setzt er wegen seiner Liebe zu Agrin sein Leben aufs Spiel, um das Kind zu retten. Wie schon in "Zeit der trunkenen Pferde" gelingt es Ghobadi meisterhaft, dem Zuschauer den Schrecken des Krieges nahe zu bringen, ohne dabei die Gräuel direkt zu zeigen. Wir sehen keine Vergewaltigung und erfahren doch von ihrer schrecklichen Auswirkung auf die Psyche ihrer Opfer. Wir sehen kaum Minen explodieren und doch machen die zahlreichen Kinder ohne Hände und Füße unmissverständlich klar, dass dies hier zur traurigen Tagesordnung gehört. Was aber am meisten beeindruckt in Gohbadis Werken ist neben seinen großartigen poetisch-überhöhten Bildern und Einstellungen die große Kraft, die die Unschuld der Kinder inmitten all diesen Schreckens ausstrahlt. Die Erwachsenen verkommen hier zu Randfiguren, die die Übersicht und das Gefühl für soziale Verantwortung längst verloren haben. Die Kinder sind auf sich alleine angewiesen und versuchen dem Chaos und Wahnsinn das Wenige entgegenzusetzen, was ihnen geblieben ist: die Macht der Solidarität untereinander. -Anne Wotschke- die selten lächelnden und wortkargen Protagonisten des Films auch bitter nötig. Die Geschichte eines Sockenfabrikanten in Montevideo, der dem entfernt lebenden Bruder bei einem Besuch zum Schein seine treueste Mitarbeiterinnen als Ehefrau vorstellt, überzeugt durch sorgfältig komponierte Bilder und einen ganz, ganz leisen Humor. Willkommen in der wunderbaren Welt der Lethargie! Der 60-jährige Jacobo hat seine Mutter bis zu ihrem Tod betreut und lebt nun alleine in seinem Appartement in Montevideo. Jeden Tag geht er um die gleiche Zeit in seine kleine düstere Sockenfabrik, wo Vorarbeiterin Marta schon auf ihn wartet. Wie sein Leben ist auch der Arbeitsalltag bestimmt von den immergleichen Routinen und Ritualen. Als sich sein jüngerer Bruder Herman, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat, zur Grabsteinlegung für die verstorbene Mutter ankündigt, bittet Jacobo die treue Seele Marta, sich als seine Ehefrau auszugeben. Marta ist nur allzu gerne bereit mitzuspielen, scheint sie in Jacobo doch mehr zu sehen als nur den Chef. Herman, der in Brasilien eine moderne und gutgehende Strumpffabrik leitet, hat wegen der Mutter seinem Bruder gegenüber ein schlechtes Gewissen. Er lädt Jacobo und seine scheinbare Ehefrau übers Wochenende zu einem Ausflug ans Meer ein, dorthin wo die Brüder als Kinder oft die Ferien verbrachten. Fast unmerklich verändert sich dabei die Beziehung zwischen den dreien. Die Filmemacher Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll zeigen in ihrem zweiten Spielfilm keine Samba-Rhythmen und lateinamerikanische Farbenpracht, sondern erzählen eine traurig-schöne Geschichte im trüben Winter in Montevideo. Die vom Leben nicht gerade verwöhnten Figuren werden mit viel Einfühlungsvermögen und Glaubwürdigkeit in Szene gesetzt und von André Pazos und Mirella Pascual eindrucksvoll verkörpert. Altmeister Hitchcock hat einmal gesagt, Film sei Leben aus dem die langweiligen Szenen herausgeschnitten sind. Für ihn mag das gestimmt haben, doch WHISKY zeigt, dass gerade der Stillstand mehr über Charaktere und deren Lebensgefühl aussagt. Diese Wirkung wird noch geschürt durch das visuelle Konzept, das durch Bewegungslosigkeit jedes Bild zum sorgfältig komponierten Gemälde erstarren lässt und damit den Blick auf die Details lenkt. Da wird dann selbst die kleinste Geste und ein scheinbar unwichtiger Gegenstand zum Ereignis. In seiner lakonischen Art erinnert "Whisky" an die Filme Aki Kaurismäkis. Das überrascht angesichts seiner lateinamerikanischen Herkunft mit der man gemeinhin anderes verbindet. Unter den schwierigen Produktionsbedingungen in Uruguay ist den beiden Filmemachern Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll etwas ganz besonderes gelungen, das zurecht auf diversen Festivals ausgezeichnet wurde. WHISKY ist kleines Kino ganz groß.

(Eric Horst, playtime by biograph)

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