120 BPM
Frankreich 2017, Laufzeit: 143 Min., FSK 16
Regie: Robin Campillo
Darsteller: Nahuel Perez Biscayart, Arnaud Valois, Adèle Haenel
>> www.120bpm-film.de/
Der Lieblingsfilm von Festivalpräsident Almodóvar war dieses Jahr in Cannes nicht schwer zu erraten: Das epische und durchweg hervorragende Aids-Drama „120 BPM“ verschränkt das Politische mit dem Erotischen und überzeugt in der Zeichnung seiner Charaktere und ihrem Ringen um Anerkennung, Liebe und die Zeit, die noch bleibt.
Ende der Achtziger Jahre geht ein Gespenst um, im Frankreich Mitterands – und das Gespenst heißt HIV, denn die Zahlen der Infizierten steigen, doch niemand spricht darüber. Assoziiert wird die Krankheit immer noch mit den verachteten Randgruppen, den Homosexuellen, Prostituierten, Kriminellen und Drogensüchtigen. Die Politik sieht keinen Aufklärungsbedarf, dabei ist Aids schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nach dem Vorbild von Aktivistengruppen aus New York gründet sich auch der französische Zweig von „Act Up“ in Paris als durchaus militantes Bündnis sehr unterschiedlicher Betroffener, die sich gegen die mediale Ausgrenzung und elitäre Pharma-Konzerne zur Wehr setzen, engagiert, kreativ und manchmal auch mit der nötigen Gewalt eines legitimen Protests. Campillo, der sich nach seinem Filmstudium ebenfalls intensiv in solchen Gruppen engagiert hat, zeigt die langen internen Debatten um die Richtung des politischen Vorgehens, innere Zerwürfnisse und Allianzen von Menschen mit außergewöhnlichen Schicksalen, deren Loyalität und Liebe zueinander dennoch eine Unbedingtheit erreicht, im Wissen, dass das eigene Leben schon bald abrupt zu Ende sein kann. Dabei erreicht Campillo mit seiner Inszenierung schwuler Liebesbeziehungen stellenweise die Nähe und affektive Kraft von „Blau ist eine warme Farbe“.
(Silvia Bahl)