24 Wochen
Deutschland 2016, Laufzeit: 102 Min., FSK 12
Regie: Anne Zohra Berrached
Darsteller: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Emilia Pieske
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Im Februar wurde ihm die Ehre zuteil als einziger deutscher Beitrag im Wettbewerb der Berlinale zu laufen. Jetzt kommt Anne Zohra Berracheds berührender Film 24 WOCHEN zu uns in die Kinos. Julia Jentsch und Bjarne Mädel spielen darin ein junges Paar, das über eine Spätabtreibung ihres behinderten Kindes entscheiden muss. Authentisch, bewegend und den Zuschauer zu einer eigenen Meinung herausfordernd überzeugt dieses Drama auf der ganzen Linie und wird niemanden kalt lassen.
Die Fernsehmoderatorin Astrid führt ein erfolgreiches und glückliches Leben mit Mann und sechsjähriger Tochter. Sie ist schwanger und voller Vorfreude auf ihr zweites Kind, als sie bei einer Routineuntersuchung erfährt, dass ihr Nachwuchs das Downsyndrom hat. Der Schock ist groß. Fortan zerbrechen sich die Eheleute den Kopf, ob sie diese Aufgabe annehmen oder abtreiben sollen. Während sie fortan mit Beratungsgesprächen, Infobroschüren, medizinischen Prognosen und guten Ratschlägen konfrontiert werden, wird ihr Eheleben auf eine harte Probe gestellt. Doch die beiden raufen sich zusammen und beschließen, sich der ihnen vom Schicksal auferlegten Herausforderung gemeinsam zu stellen.
Als sie jedoch erfahren, dass das Ungeborene zusätzlich noch an einem schweren Herzfehler leidet, der viele Operationen mit ungewissem Ausgang nach sich ziehen würde, stellt Astrid im Gegensatz zu ihrem Mann ihren Entschluss noch einmal in Frage. Erschwerend kommt hinzu, dass die junge Mutter durch ihren Beruf im Lichte der Öffentlichkeit steht. Doch Astrid gelangt schließlich zu der Erkenntnis, dass letztlich nur sie allein eine Entscheidung fällen kann, wobei ihr durchaus bewusst ist, dass dies eine Entscheidung über Leben und Tod bedeutet. Schließlich revidiert sie ihren ersten Beschluss und entscheidet sich doch für eine Spätabtreibung.
Während sich die Regisseurin im ersten Teil ihres Films auf die Entscheidungsfindung und die Reaktion im Freundes- und Familienkreis konzentriert, beschreibt sie in der zweiten Hälfte minutiös den Ablauf eines solchen umstrittenen medizinischen Vorgangs. Dies darf man durchaus als harten Tobak einstufen, der im deutschen Kino so noch nicht zu sehen war, und wen der Film bis dahin noch nicht gepackt hat, wird sich ihm fortan nicht mehr entziehen können. Dabei verzichtet sie fast komplett auf Kinobilder, setzt ganz auf die Schauspielkunst ihrer beiden Protagonisten und auf Authentizität. Die Ärzte und das Klinikpersonal sind echt – keine Schauspieler -eine weise Entscheidung, die dem Film hervorragend bekommt.
24 WOCHEN ist der Abschlussfilm von Anne Zohra Berrached, die vor dem Dreh intensiv zum Thema recherchiert hat und weiß wovon sie spricht. Sie selber habe – so bekennt sie – einmal abgetrieben. Mehr als 90 Prozent der betroffenen Frauen entscheiden sich in einer solchen Fallkonstellation für eine Abtreibung, berichtet die junge Regisseurin. Aber auch der Zuschauer ist gefordert. Wie würde ich entscheiden – diese Frage schwebt stets im Raum und macht das Werk zu einem packenden Gradmesser für die eigene Befindlichkeit. Ein glaubwürdiges, spannendes und unter die Haut gehendes Werk – und ein starker und vielversprechender Auftakt dieses Kinoherbstes.
(Anne Wotschke)