9 Songs
Großbritannien 2004
Regie: Michael Winterbottom
Darsteller: Dandy Warhols, Franz Ferdinand, Bobbie Gillespie, Bob Hardy, Alex Kapranos, Mani, Nick McCarthy, Michael Nyman, Kieran O'Brien, Margot Stilley, Courtney Taylor-Taylor, Robert Young
Michael Winterbottoms neuester Film hat in England für einen saftigen Skandal gesorgt. "Der schmutzigste Film aller Zeiten", titelte die yellow press und nahm besonderen Anstoß an den expliziten Sexszenen, die nichts verhüllen und auch nichts verhüllen wollen."Das Kino sei ihm oft zu prüde", so Winterbottom. "In der Literatur ist das gar kein Problem. Da darf eine Liebesbeziehung bis in kleinste Details beschrieben werden, nur im Kino wird schon abgeblendet, bevor es überhaupt richtig los geht". So ist Winterbottom den Versuch eingegangen, einen Film zu machen, der eine Liebesgeschichte vornehmlich über die Darstellung von Sex erzählt. Dabei ist die Geschichte schnell erzählt: Auf einer Arktis-Expedition erinnert sich der Klimaforscher Matt in einer Art Flashback an seine Liaison mit der amerikanischen Austauschstudentin Lisa, die er bei einem Konzert in London kennen lernte. Noch am gleichen Abend landen sie im Bett, führen fortan eine leidenschaftliche Beziehung - gehen gemeinsam auf Konzerte, hören Musik und haben Sex. Das alles in dem Bewusstsein, dass ihre Liebe mit Lisas Rückkehr in die USA beendet sein wird.Die Tatsache, dass Winterbottom drauf hält, wenn's zur Sache geht, macht den Film nicht schmutziger als die Beziehung, die er porträtiert. Und ob Porno oder nicht, sein Film ist nie voyeuristisch, sondern in seinen gelungensten Momenten eher verspielt, zärtlich und poetisch. Sex wird hier zur Metapher der Beziehung des Paares, deren Gemütszustand noch durch die titelgebenden neun Songs gespiegelt wird. So entsteht das ganz eigenwillige Porträt einer Liebe, die sich nicht um die Vergangenheit oder die Zukunft schert, sondern sich ganz der Gunst des Augenblicks hingibt, sich fallen lässt, ohne über gesellschaftliche Schranken nachzudenken. Ein Werk, zu dem einem kaum ein vergleichbarer Film einfällt, der vielleicht aber auch gedreht werden musste um nachzuweisen, dass hinter den Hochglanzprodukten der Pornoindustrie etwas steckt, das ganz gewöhnlich, ganz normal und dennoch einzigartig und atemberaubend ist.
(Kalle Somnitz, playtime by biograph)