A History of Violence
USA/Kanada 2005, Laufzeit: 96 Min., FSK 16
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Viggo Mortensen, Maria Bello, Ed Harris, William Hurt, Ashton Holmes, Peter MacNeill, Heidi Hayes, Greg Bryk, Stephen McHattie, Steve Arbuckle, Kyle Schmid, Jason Barbeck, Sumela Kay, Morgan Kelly, April Mullen, Connor Price, Evan Rose
Auch wenn der Titel es vielleicht vermuten lässt, "A History of Violence" ist keine Dokumentation, sondern das neue Werk des kanadischen Regisseurs David Cronenberg: Ein kleiner, grantiger Thriller, dessen Name sich auf den Ausspruch "The suspect had a long history of violence" bezieht. Exemplarisch werden Ursachen und Auswirkungen von Gewalt geschildert und am Ende steht die Erkenntnis, dass, so der Regisseur, "Gewalt ein unglücklicher, aber sehr realer und unvermeidbarer Bestandteil der menschlichen Natur ist."Idyllischer könnte das Leben der Familie Stall kaum sein. Zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern wohnt Tom Stall in der Kleinstadt Millbrook/Indiana, in der er einen Coffeeshop führt. Doch das ruhige Leben findet ein jähes Ende, als eines Tages zwei gewaltbereite und bewaffnete Gangster Toms Laden überfallen. Zwar kann Tom das Schlimmste verhindern, indem er die Eindringlinge kurzerhand erschießt, aber von nun an ist nichts mehr in seinem Familienleben wie es einmal war. Er wird euphorisch als Held gefeiert und die Stalls sehen sich mit einem riesigen Medienrummel konfrontiert. Jedoch sollen die Blitzlichtgewitter nicht die einzigen Störungen bleiben, denn plötzlich erscheint ein suspekt wirkender Fremder, der in Tom einen Mann namens Joey wieder zu erkennen glaubt, mit dem er noch eine Rechnung offen hat. Der Fremde greift immer mehr in das Leben der Familie ein und wird zu einer wachsenden Bedrohung. Alle Versuche, den Mann davon zu überzeugen, dass es sich um eine Verwechslung handelt, scheitern. Um seine Familie zu beschützen, greift Tom erneut zur Waffe, doch das Misstrauen ist bereits gesät. Die Comicverfilmung "A History of Violence" ist mit Sicherheit Cronenbergs mainstreamigster Film und überrascht mit seiner stringenten Erzählweise, die kaum Zeit zum Atemholen lässt. Aber unter der spannungsgeladenen und unterhaltsamen Oberfläche lauert dann doch das typische Cronenberg-Universum mit der Frage nach "Schein und Sein", der Medienkritik und der fast schon obligatorischen Transformation des Individuums. Der Plot um den unschuldigen Mann, der mit Gewalt konfrontiert und somit zum Handeln gezwungen wird, ist sicherlich kein Novum und so ist es weniger die erzählte Geschichte selbst, die den Film so interessant macht, vielmehr sind es die nuancierten Anspielungen auf das amerikanische System und dessen unbedarften Umgang mit Gewalt. Auf diese Weise funktioniert der Film bestens als Parabel auf die amerikanische Waffenfaszination und zeigt, dass ein roher Gewaltakt, aufgebauscht durch die Medien, schnell zur Heroisierung des Täters führen kann. Die Darstellung der Gewaltausbrüche verzichtet auf jegliche künstlerische Choreographie und Stilisierung und lässt sie als das erscheinen, was sie letztendlich auch sind: Grausam, hässlich und widerwärtig. Zwischendurch blitzt immer mal wieder der unterschätzte Cronenberg'sche Humor auf, der hier ein wenig an den Zynismus der Coen-Brüder oder eines Tarantino erinnert. Das darauf folgende, befreiende Lachen dürfte jedoch so manchem rasch im Halse stecken bleiben. Zudem konnten mit Viggo Mortensen ("Herr der Ringe"), Ed Harris, Maria Bello und John Hurt grandiose Darsteller gewonnen werden, die den Charakteren und ihrer Entwicklung eine immense Glaubwürdigkeit und Tiefe verleihen, ohne dass der Film in Richtung Starvehikel abdriftet. Und so ist auch Cronenbergs augenscheinlicher Abstecher in Mainstream-Gefilde eine Reise in die menschlichen Abgründe.
(Oliver Forst, playtime by biograph)