A Most Wanted Man
USA, Großbritannien, Deutschland 2014, Laufzeit: 121 Min., FSK 6
Regie: Anton Corbijn
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Grigoriy Dobrygin, Willem Dafoe, Robin Wright, Nina Hoss, Daniel Brühl
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Anton Corbijns („Control“) lange erwarteter neuer Film „A Most Wanted Man“ ist ein Agententhriller nach einem Roman von John le Carré, der komplett in Hamburg und Berlin spielt, und uns Philip Seymour Hoffmann in seiner letzten Rolle als geheimdienstlicher Sonderermittler Günther Bachmann zeigt, der sich zwischen Polizei und internationalen Geheimdiensten aufreibt.
Bachmann ist Geheimermittler und arbeitet für allerlei Geheimdienste weltweit. Sein letzter Auftrag ist ziemlich schief gegangen, weil seine Identität verraten wurde. Seitdem ist er sehr vorsichtig, wen er in welche Informationen einweiht. Er arbeitet allein mit einer kleinen Crew, die zwischen Polizei und Geheimdienst eigene unabhängige Ermittlungen anstellt, dabei aber auch von einer CIA-Agentin (Robin Wright) überwacht wird. Bachmanns Gruppe hat Issa Karpov ausfindig gemacht, ein rätselhafter Flüchtling aus der Türkei, halb Russe, halb Tscheschene, der, halbtot gefoltert, Zuflucht in der islamischen Gemeinde Hamburgs sucht. Hoffmann will Karpov als Köder benutzen, um an die Hintermänner heranzukommen, während Karpov das Erbe seines Vaters antreten will. Für die Umsetzung seiner Forderungen gegen eine Privatbank hat er eine idealistische junge Strafverteidigerin (Rachel Adams) angeheuert, die mit dem etwas zwielichtigen Banker (Willem Dafoe) verhandeln soll. Bachmann manipuliert sie beide, doch als Karpov das nicht unbeträchtliche Erbe dann doch nicht antreten will, weil es schmutziges Geld ist, kommen die Ermittlungen in die Krise. Der deutsche Geheimdienst will zuschlagen, Bachmann weiter warten. Noch einmal kann er sich durchsetzen und lässt in Karpov die Idee pflanzen, dass Geld für einen guten Zweck zu spenden. Dafür vermittelt er ihm einen muslimischen Religionsführer mit tadellosem Ruf, der die zu begünstigenden Hilfsorganisationen aussucht, in der Hoffnung, dass auch eine terroristische dabei ist. Als genau dies geschieht, hat Bachmann einen großen Coup gelandet und fühlt sich erstmals den Rädelsführern sehr nahe gekommen, wenn ihm da nicht wieder die deutsch-amerikanischen Autoritäten in die Quere kämen...
Anton Corbijn hat den Agententhriller „Marionetten“ von John le Carré so umgesetzt, dass er auf mehreren Ebenen funktioniert. Er ist ein spannender Krimi mit vielen Wendungen und intelligenten Hinterhalten. Gleichzeitig muss Bachmann dem deutschen Geheimdienst Paroli bieten und die CIA in Schach halten, die ihn schon einmal hat auffliegen lassen. Das zieht die Frage nach sich, wer wem noch trauen kann. Bachmann traut niemandem und kommt immer wieder an den Punkt, wo er am Sinn seiner Tätigkeit zweifelt. Er manipuliert unbescholtene Bürger, hält sich an kein Gesetz, hat quasi die Lizenz zum Töten, alles legitimiert durch den Anspruch, die Welt ein wenig sicherer zu machen. Ein Versprechen, dass bis heute nie eingelöst wurde. Corbijn zeigt aber auch die Rivalitäten der verschiedenen Sicherheitsorgane untereinander, die nicht nur miteinander in Konkurrenz stehen, sondern sich auch gegenseitig korrumpieren. Das macht die Staatsgewalt völlig unberechenbar und den Kampf gegen den Terrorismus zu einem dilletantischen Desaster, das nicht zu rechtfertigen ist. Corbijn vertraut auf seinen Hauptdarsteller und tatsächlich sieht man hier Hoffman in einer seiner letzten Rollen in Bestform. An seiner Seite spielen sowohl weitere amerikanische Stars als auch deutsche Fernsehschauspieler. Letztere geben dem Thriller gelegentlich eine etwas provinzielle, ja beinahe behäbige Note, die das Verhalten der deutschen Behörden allzu gut widerspiegelt. So ist „Most wanted Man“ kein Actioner, sondern ein Politthriller mit kritischem Hintergrund, der noch lange im Gedächtnis bleibt.
(Kalle Somnitz - biograph)