A War
Dänemark 2015, Laufzeit: 120 Min., FSK 12
Regie: Tobias Lindholm
Darsteller: Pilou Asbæk, Tuva Novotny, Dar Salim
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Der dänische Regisseur Tobias Lindholm beweist erneut die zurückgenommene Präzision seines Handwerks. Genau beobachtet und ohne jeglichen Pathos zeigt er den europäischen Militäreinsatz im Nahen Osten als komplexe moralische Fragestellung, die er an den Zuschauer weitergibt, ohne zu urteilen. Fesselnd, und mit großer Sensibilität erzählt, ist „A War“ zeitgenössisches Kino, das auf beeindruckende Weise zu neuen Formen des filmischen Realismus findet.
Im Zentrum steht ein Krieg, dessen Unbestimmtheit Lindholm in vielfacher Weise zeigt: Seit dem 11. September 2001 sind mittlerweile fünfzehn Jahre vergangen, der „War on Terror“ hat nicht dazu geführt, dass die Situation in Afghanistan sich wesentlich stabilisiert hätte, statt dessen entzünden und verlagern sich die Krisenherde im Nahen Osten immer weiter und von neuem.
Für die dänischen Soldaten, welche dort stationiert sind, geht es um die ganz konkrete Sicherung des Friedens, der Ermöglichung von Alltäglichkeit, dem Schaffen von demokratischen Strukturen – so lautet zumindest die Hoffnung. Doch darunter liegt die Angst vor der grausamen Sinnlosigkeit einer jeden kriegerischen Auseinandersetzung, deren Radius weit über sie hinaus reicht.
Die Unübersichtlichkeit der politischen Lage fordert zudem ebenso heraus wie vielfache kulturelle Missverständnisse.
Kommandant Claus Michael Pedersen (Pilou Asbæk) ist ein besonnener und von seinen Kollegen überaus geschätzter Leiter einer solchen Mission, da er es versteht für seine Truppe präsent zu sein und sich in Einsätzen nicht zurück zu nehmen. Die Kehrseite dessen ist die umso größere Abwesenheit für seine Familie in Dänemark, die Lindholm mit schmerzhafter Nuanciertheit zu zeigen versteht: Ehefrau Maria ist eine starke und selbstständige Figur, durch welche die Risse, die Einsamkeit und die Erschöpfung umso tiefer in kleinen Gesten zum Ausdruck kommen, wenn sie die drei Kinder und ihren Alltag zusammenhält.
Dieser kollidiert immer wieder mit dem Ausnahmezustand am anderen Ende des Mobiltelefons, wo jeder normale Patrouillengang an einer tödlichen Tretmine enden kann, was die Kluft in den familiären Beziehungen immer tiefer werden lässt.
Schließlich eskaliert eine solche Situation tatsächlich und Pedersen trifft im Gefecht die folgenschwere Entscheidung, Luftunterstützung anzufordern, da einer seiner Soldaten mit dem Tod ringt. Die Konsequenz des nachfolgenden Bombardements sind jedoch elf zivile Opfer und so entwickelt sich der Film in seiner dritten Hälfte überraschend zum Courtroom Drama.
Der Kommandant wird nach Hause geschickt, um sich vor einem internationalen Militärtribunal zu verantworten, dessen Urteil davon abhängt, ob Pedersen visuellen Feindkontakt hatte, als er die Luftwaffe anforderte, was als einziger Faktor den Einsatz gerechtfertigt hätte.
Die Stärke von Lindholms Film liegt in dem angenehmen und seltenen Understatement, mit dem große ethische Fragestellungen verhandelt werden, ohne einfache Antworten auf sie finden zu wollen. Dies gelingt durch genau beobachtete Situationen, ein hervorragendes Drehbuch und eine fast neorealistische Inszenierungsweise. Ein Großteil der Darsteller sind Laien, unter ihnen dänische Kriegsheimkehrer ebenso wie ehemalige Taliban Kämpfer, die Lindholm bei seinen Recherchen antraf und überzeugen konnte, ihre Erfahrungen in einer filmischen Realität zu teilen, um die Konsequenzen des Krieges erfahrbar werden zu lassen.
Das Zeigen solcher komplexer Bezogenheiten macht „A War“ nicht nur zu einem der besten Filme des letzten Kinojahres, sondern auch zu einer wirklich zeitgenössischen Erfahrung aktueller politischer Situationen und ihren Konsequenzen, die wir hier in Europa gerade erst zu spüren begonnen haben.
(Silvia Bahl)