Alles Geld der Welt
USA 2017, Laufzeit: 135 Min., FSK 12
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Michelle Williams, Christopher Plummer, Mark Wahlberg
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Mit „Alles Geld der Welt" ist Ridley Scott nicht nur ein virtuoser Geiselnahme-Thriller gelungen, mit dem er sich zurück auf die Höhe seines Könnens katapultiert, sondern auch eine intelligente Auseinandersetzung mit kapitalistischen Werten. Der hervorragende Cast verstrickt sich mehr und mehr in der teuflischen Zirkulation des Geldes, der Versuchung und der Gier – eine wahre Abrechnung, die den Zeitgeist trifft und konsequent in offenen Wunden bohrt. Kein Wunder also, dass die wahre Geschichte um die Entführung John Paul Gettys III auch später in diesem Jahr noch einmal von Danny Boyle als fürs TV produzierte Miniserie ausgestrahlt wird.
John Paul Getty (Charlie Plummer) durchstreift unschuldig ein zwielichtiges Viertel des nächtlichen Roms, als neben ihm ein Kleintransporter hält und er just hineingezogen wird. Seine Mutter Gail (Michelle Williams), schon längst vom drogenabhängigen Vater – der zufälligerweise der Sohn des Multimilliardärs J. Paul Gettys (Christopher Plummer) ist – getrennt, bekommt nur wenige Tage nach dem Verschwinden ihres Sohns einen Anruf. Am Apparat ist einer der Entführer, der ein Lösegeld von 17 Millionen Dollar für den blonden Burschen verlangt. Gail, die über keine solch gewaltigen Summen verfügt, muss sich gezwungenermaßen unter dem Rummel der Medien an ihren ehemaligen Schwiegervater wenden. Dass der pervers reiche Getty keine Bereitschaft zeigt, auch nur einen müden Dollar zu zahlen, erschwert das zum Medienspektakel aufgescheuchte Unterfangen. Stattdessen stellt er Gail, die alle ihr möglichen Geschütze auffährt, um ihren Sohn lebend zurück zu bekommen, seinen eigenen Mitarbeiter Fletcher Chase (Mark Wahlberg) an die Seite. Ein gefährliches Spiel des Feilschens nimmt seinen Lauf, bei dem jede Sekunde zählt.
Der Dreh des Films war gerade abgeschlossen, der Starttermin festgelegt und da rollten in Hollywood schon längst die Köpfe Harvey Weinsteins und anderer Mogule und Stars, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht hatten. Gegen Kevin Spacey, der die Rolle des milliardenschweren Gettys ursprünglich verkörperte, erhoben sich auch Stimmen im großen medialen Wirbel – da wurde der zweifache Oscarpreisträger kurzerhand von Ridley Scott aus dem Film geschnitten und durch Christopher Plummer ersetzt. Ein Umstand, der viel Aufmerksamkeit auf sich zog und natürlich fragen lässt, wie der Film eigentlich ausgesehen hätte. Die Szenen wurden in Windeseile mit Plummer nachgedreht und eingesetzt – ein Umstand, den man dem Endprodukt im Grunde nicht anmerkt und vielleicht sogar vom grandiosen Spiel des altgediegenen Akteurs ablenkt, der J. Paul Getty mit sarkastischer Nonchalance verkörpert und die Rolle als damals größter Kapitalist der Welt sichtlich genießt. Allein die wahre Entführungsgeschichte selbst reißt politisch-philosophische Untiefen auf, die Ridley Scott mit einem klug strukturierten Drehbuch auf der Leinwand manifest werden lässt und kompromisslos auseinandernimmt. Ihm ist nicht nur ein ungemein spannender Thriller gelungen, in dem eine Starriege einige der sehenswertesten Performances des Jahres abliefern, sondern auch eine implizite Reflektion, die sich dagegen auflehnt, den abstrakten Wert des Geldes und Materials gegen menschliches Leben auszuspielen. „Alles Geld der Welt" ist mehr als nur ein Tatsachenthriller – er ist ein schwarzseherisches Sittenbild, ein Spiegel menschlicher Hilflosigkeit im Angesicht krimineller Dekadenz, eine Polemik gegen die Gier.