American Honey
USA, Großbritannien 2016, Laufzeit: 163 Min., FSK 12
Regie: Andrea Arnold
Darsteller: Sasha Lane, Shia LaBeouf, Riley Keough
>> www.americanhoney-film.de/
Die Britin Andrea Arnold, die durch ihre sozialkritischen Filme (Red Road, Fish Tank) bekannt wurde und sich zuletzt an einer Literaturverfilmung (Wuthering Heights) erprobte, überraschte in Cannes in diesem Jahr mit einem erneuten Genre-Wechsel. Ihr erster in den USA gedrehter Film „American Honey“ ist ein Generationen- wie Gesellschaftsporträt, Roadmovie und Initiationsgeschichte zugleich.
Erzählt wird aus der Perspektive der 18-jährigen Star, die sich spontan einer Drücker-Kolonne anschließt, der sie in einem Supermarkt begegnet. Die jungen Leute, die ihren Lebensunterhalt mit dem von Tür zu Tür-Verkauf von Zeitungsabonnements finanzieren und dafür quer durch den mittleren Westen der USA ziehen, haben dort einen kurzen Zwischenstopp eingelegt. Einer des Teams, der charismatische Jake (Shia LaBeouf), zieht sofort Stars Aufmerksamkeit auf sich und als dieser spontan, um ihr zu imponieren, zu einem Rihanna-Song auf den Tischen des Supermarktes tanzt, ist es um Star geschehen. Sie nimmt Jakes Einladung, sich der Gruppe anzuschließen, an. In ihrem Zuhause hält sie ohnehin nichts, ihre Familienverhältnisse sind schwierig, ihre Zukunftschancen gering, und das Leben „on the road“ gemeinsam mit gleichaltrigen Jugendlichen, die nach getaner Arbeit Party machen, Alkohol trinken und coole Musik hören, scheint allzu verlockend.
So bricht sie voller Hoffnung auf zu einer Reise durch das ländliche Amerika, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Menschen und Lebensformen. Doch nichts ist ohne Preis, das muss Star bald erfahren, am Abend zählt die Anzahl der abgeschlossenen Abos und das damit verdiente Geld, Skrupel sind da eher hinderlich, und so bekommt sie schnell den Erfolgsdruck zu spüren. Ausgeübt wird er vor allem durch Krystal (gespielt von Elvis Presley-Enkelin Riley Keough), die strenge Chefin der Gruppe, der die erotische Spannung zwischen ihrem besten Verkäufer Jake und Star nicht entgangen ist und diese misstrauisch beäugt.
In Cannes wurde AMERICAN HONEY mit Larry Clarks KIDS verglichen, aber auch Harmony Korines SPRINGBREAKERS oder Richard Linklaters SLACKER kommen einem in den Sinn. Arnolds Film beschreibt zwei Innenansichten - die eines Teenagers mit fehlender Zukunftsperspektive und die eines großen Landes mit erheblichen sozialen Unterschieden, in dem die Menschen alles Mögliche brauchen, nur kein Zeitungs-Abo. Dabei konzentriert sie sich weitgehend auf die Beschreibung des Lebensgefühls der Jugendlichen, die sozialkritische Komponente tritt in den Hintergrund, beziehungsweise wird verlagert in die von der vibrierenden Handkamera Robbie Ryans eingefangenen Bilder, die dem Film eine ganz eigene Aura verleihen.
Beeindruckend die Leistung der Hauptdarstellerin Sasha Lane, die Andrea Arnold – ebenso wie die meisten anderen Schauspieler, quasi auf der Straße bzw. in Shopping Malls gefunden hat. Nicht selten fand das Vorsprechen gleich auf den jeweiligen Parkplätzen statt. Sie alle verleihen dem Film spürbar Authentizität. Fast eine eigene Rolle spielt die Musik, die von Trap-Music (einer besonders harten HipHop-Variante aus den Südstaaten) über Country-Songs bis zur Pop reicht, wobei die Songtexte teilweise die Handlung erklären oder ergänzen.
(ANNE WOTSCHKE)