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Being Julia
Kanada/ Großbritannien/ Ungarn/ USA 2004, Laufzeit: 105 Min.
Regie: István Szabó
Darsteller: Annette Bening, Jeremy Irons, Bruce Greenwood , Miriam Margolyes,Juliet Stevenson, Shaun Evans, Lucy Punch, Maury Chaykin, Sheila McCarthy, Michael Gambon

Eine begnadete Bühnenschauspielerin in der Midlife-Crisis, ein heißblütiger jugendlicher Verehrer, der es dann doch nur mäßig ernst meint mit seinen Liebesschwüren, und eine Rivalin, die nicht nur die Bühne für sich gewinnen möchte - wenn Oskar-Regisseur István Szabó in dieser Konstellation die Regie führt und Annette Bening zeigen darf, was sie kann, wird daraus ein munteres Spiel um Schein, Wirklichkeit und eine Frau, die sich zu behaupten weiß. "Die ganze Welt ist eine Bühne", wusste schon William Shakespeare. Julia Lambert geht sogar noch weiter: Für die berühmte Londoner Westend-Diva liegt alle Wirklichkeit allein auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Das schnöde Leben rings herum ist da nur ein schaler Abklatsch - doch genau dieser Abklatsch macht ihr momentan zu schaffen, denn sie fühlt sich lustlos, gelangweilt und ausgelaugt. Das derzeitige Theaterstück läuft für Julias Geschmack schon viel zu lange, die "moderne" Ehe mit dem eitlen Impressario Michael Gosselyn lässt den gewünschten Pepp nicht erst seit gestern vermissen, und ihre einzige wirkliche Freundin ist die Gardrobiere Evie. Und dann ist da noch die Aussicht, die wohl jeder großen Bühnenkünstlerin auf der Höhe ihres Erfolges ins Auge sticht, nämlich dass es von nun an bergab gehen wird, wenn das Alter anfängt, seinen Preis zu fordern. Was hilft besser gegen eine Lebenskrise als eine leidenschaftliche Affäre? Als der junge Amerikaner Tom Fennel beginnt, ihr stürmisch den Hof zu machen, rennt er bei Julia quasi offene Türen ein. Sie stürzt sich in das Liebesabenteuer mit dem halb so alten Tom wie in einen Jungbrunnen, und tatsächlich ist die Wirkung ähnlich - bis sie erkennen muss, dass Tom nebenbei auch noch eine Liebschaft mit der jungen Avice unterhält. Und nicht nur das: er versucht auch, Avice in Julias neuem Stück unterzubringen. Doch Julia wäre nicht der Star der Londoner Theaterlandschaft, wenn sie sich in dieser Situation nicht zu helfen wüsste. Die ganze Welt ist halt doch eine Bühne. Und für Theaterleute ist die Bühne die ganze Welt. Eine Schauspielerin zu spielen ist für jede Mimin wohl eine große Herausforderung, und Annette Bening meistert sie mit Bravour. Sie verleiht der schillernden, aber auch oberflächlichen und eiteln Figur der Julia, die selbst im Alltag eine Rolle nach der anderen abspult und die sich irgendwann in ihrem eigenen Spiel selbst verloren hat, eine mitreißende Dynamik. Trotz aller Maskeraden der Julia fokussiert sie die Sympathien eindeutig auf diese Figur, und der Zuschauer kann am Ende ihren Sieg über alle Widersacher und Widrigkeiten so richtig mit ihr gemeinsam genießen. Für den Regisseur István Szabó ist "Being Julia" nicht der erste Bühnenfilm. Auch in "Zauber der Venus" lotet er die Entwicklungen in einem Opern-Ensemble aus, und für seine Klaus Mann-Verfilmung von "Mephisto" über den Schauspieler Gustaf Gründgens erhielt er 1981 den Oscar. Szabó, der sich üblicherweise eher mit historischen und politischen Themen beschäftigt, ist mit "Being Julia" eine wunderbar leichtfüßige Komödie gelungen, die trotz ihrer Leichtigkeit dennoch Platz für eine glaubwürdige Persönlichkeitsentwicklung der Protagonistin lässt. Und im Zwiespalt zwischen Bühnenrollen, Lebensrollen und der Frage, wo man eigentlich steht, bietet der Film auch dem Zuschauer die Gelegenheit, ein wenig über Schein und Sein und die Spielchen des Alltags nachzudenken. Denn letztlich hatte Shakespeare wirklich nicht unrecht - Die ganze Welt ist eine Bühne. Und das nicht nur im Film.

(Anke Herling, playtime by biograph)

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