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Beberian Sound Studio

Berberian Sound Studio
Großbritannien 2012, Laufzeit: 92 Min., FSK 12
Regie: Peter Strickland
Darsteller: Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Cosimo Fusco

In den 70er-Jahren nimmt der britische Toningenieur Gilderoy einen Auftrag in Italien an. Doch anders als er erwartet hat, werden im Berberian Sound Studio brutale Horrorfilme vertont. Für den zartbesaiteten Mann gerät das zu einem Alptraum. Mit Sinn fürs Surreale hat Peter Strickland eine eigenwillige Liebeserklärung an das Exploitationkino der 70er-Jahre und die analoge Filmtechnik geschaffen.

So hat sich Toningenieur Gilderoy (Toby Jones) seinen neuen Arbeitsplatz nicht vorgestellt. Zuhause in England hatte er sein Studio in einer kleinen Scheune und vertonte besonders gerne Naturdokus. Nun sitzt er in dieser anonymen, surreal anmutenden Tonfabrik mit ihren langen Gängen und muss für den eitlen Produzenten Santini (Antonio Mancino), auf dessen ausdrücklichen Wunsch er eingeflogen wurde, Töne des Schreckens schaffen. Von den sprachlichen Verständigungsproblemen mal abgesehen, wird er auch sonst nicht unbedingt herzlich empfangen. Er ist Fremdkörper in einem Mikrokosmos, der immer mehr zum Gefängnis wird. Und dann ist da noch dieser schreckliche Film an dem er arbeiten muss.

Der Zeitpunkt könnte kaum besser gewählt sein. Jetzt, wo die digitale Technik vollständig in die Kinos Einzug gehalten hat, erinnert „Berberian Sound Studio“ an die Zeit der Magnetbänder und des 35mm-Films. Liebevoll lässt Strickland die Kamera über den analogen Technikpark mit seinen komplexen Verkabelungen gleiten und fährt ganz nah heran an die rasselnden Zahnräder des 35mm-Projektors und die alten Tonbandgeräte. Darüber hinaus entwirft er ein beeindruckenden Spiel mit Form und Inhalt, das auch den nicht vorbelasteten Zuschauer schnell in seinen Bann schlägt.

Was für Grausamkeiten Gilderoy tatsächlich vertonen muss, bleibt für den Zuschauer im Off. Es geht um Hexen, die auferstehen und junge Frauen sehr kreativ foltern. Der Film vermittelt das ausschließlich über den Sound. Man sieht die Sprecher in ihren Kabinen und wie die Geräusche hergestellt werden. Dafür wird alles benutzt, was der Gemüsegarten hergibt: Wassermelonen werden zerhackt, Radieschen werden gerupft und Kohlköpfe erstochen. Für was das Geräusch verdampfenden Wassers in einer heißen Pfanne steht, soll an dieser Stelle unerwähnt bleiben.

Obwohl künstlerisch überhöht, ist der Hintergrund der Geschichte realistisch. Nach den großen Erfolgen des Sandalenfilms und des Spaghettiwesterns kriselte das italienische Kino in den 70er-Jahren wie vielerorts. Neue Anreize mussten her und wohl kaum ein anderes Land verstand sich besser auf die reißerische Verquickung von Sex und Gewalt. Ein arbeitssuchendes Heer von fähigen Filmhandwerkern wollte beschäftigt sein und traditionell wurde in Italien in dieser Zeit ohne Live-Ton gedreht, so dass komplett nachvertont werden musste.

Lohnenswert ist der bereits veröffentlichte Soundtrack der britischen Elektroniktüftler Broadcast, der den Film quasi ohne Dialog in etwas über einer halben Stunde bei insgesamt 39 Stücken wieder lebendig werden lässt. Interessant auch, dass der deutsche Autorenfilmer und Produzent Hans W. Geissendörfer („In der Welt habt ihr Angst“, wohnhaft in der "Lindenstraße") für dieses außergewöhnliche Filmprojekt sein Portemonnaie gezückt hat. Wer stringentes Erzählkino erwartet, ist bei „Berberian Sound Studio“ im falschen Film. Das visuell und akustisch beeindruckende Kunststück ist eher in der Nähe von David Lynchs „Eraserhead“ zu verorten und hat wie dieser das Potential zum Kultfilm.

(Eric Horst - biograph)

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