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Bird

Bird
Frankreich, Großbritannien, USA, Deutschland 2024, Laufzeit: 118 Min., FSK 16
Regie: Andrea Arnold
Darsteller: Barry Keoghan, Franz Rogowski, Nykiya Adams
>> www.mfa-film.de/kino/id/bird/

Der Alltag der zwölfjährigen Bailey ist von prekären Verhältnissen geprägt: Drogen, Gewalt und Arbeitslosigkeit bestimmen ihr Umfeld. Doch Bailey findet eigene Wege, um dem Wahnsinn zu entkommen. Mit ihrer Handykamera fängt sie die kleinen Details ihrer Umgebung ein und schafft sich damit Momente der Distanz in denen die Welt in Ordnung scheint, besonders als sie auf den geheimnisvollen Vagabunden Bird trifft, der ihre Perspektive auf besondere Weise verändert. Andrea Arnolds (AMERICAN HONEY) lang ersehnter fünfter Spielfilm BIRD ist ein einzigartiger Mix aus Fantasy, Coming-of-Age und Sozialdrama. Der Film erinnert stark an Arnolds gefeierten zweiten Langfilm FISH TANK (2009), nicht zuletzt, weil sie für die Geschichte in ihr Heimatland England zurückkehrt.

Im Zentrum steht die Teenagerin Bailey (Nykiya Adams), die mit ihren Halbgeschwistern und ihrem Vater Bug in einem besetzten Haus in einer rauen Hafenstadt im Norden von Kent aufwächst. Bug ist arbeitslos und versucht mit verrückten Ideen Geld zu verdienen – etwa durch den halluzinogenen Schleim einer Kröte –, verkörpert von einem voll tätowierten Barry Keoghan im Jogginganzug und meistens auf einem E-Roller unterwegs. Trotz seiner Naivität und Egomanie bleibt Bug eine liebenswerte Figur, die sich auf ihre ganz eigene Weise um Bailey und ihre Geschwister sorgt. Arnold gelingt es, das Gefühl zu vermeiden, über ihren Charakteren zu stehen – stattdessen begegnen wir ihnen auf einer schmerzhaft menschlichen Augenhöhe, was durch eine teils humorvolle Perspektive noch verstärkt wird. Auch wenn man als Zuschauer:in nicht umhin kommt, gewisse Situationen zu verurteilen, schafft Arnold es, ein vielschichtiges Bild zu zeichnen, ohne ihre Figuren in eine Schublade zu stecken oder bloßzustellen.
Während Bugs Pläne oft ins Leere laufen und er von seiner bevorstehenden Hochzeit abgelenkt ist, kämpfen Bailey und ihre Geschwister mit eigenen, von Hilflosigkeit und Wut geprägten Problemen – besonders die Situation mit ihren Schwestern ist untragbar. Sie leben bei ihrer abwesenden Mutter in einem Reihenhaus, wo diese in einer gewalttätigen Beziehung gefangen ist. Beim Umherstreifen, um das erneute Ohnmachtsgefühl zu verarbeiten, trifft Bailey auf Bird, gespielt von Franz Rogowski – einen sonderbaren Mann, der so gar nicht in die rauen Straßen ihrer Welt zu passen scheint. Zwischen den beiden entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft, die märchenhafte Züge annimmt. Bird wird zu einer Art „guten Fee", die Bailey dabei hilft, mit ihrem Leben und den bevorstehenden Veränderungen klarzukommen. Gleichzeitig hat er auch seine eigenen Dämonen und ist auf der Suche nach seinem Vater. Besonders spannend ist die Entscheidung, diese Rolle mit einem Mann zu besetzen – ein Balanceakt, den Rogowski mit seiner faszinierenden Präsenz meistert, ohne dass fragwürdige Untertöne aufkommen.
Arnold schafft es auf ungewöhnliche Weise, die harten Realitäten von Kindern, die sich selbst überlassen sind, mit einer fiktionalen Ebene zu verweben. Wo Worte versagen, setzt BIRD auf Bilder, um Grausamkeit und Schönheit nebeneinander zu zeigen. Ein wunderschöner und intensiver Film, der sich durch die unglaubliche Nähe zu seiner Hauptfigur abhebt. Für manche mag dieser Mix aus Sozialdrama und Fantasie irritierend wirken – für mich funktioniert er jedoch vollkommen. BIRD ist ein filmisches Erlebnis, das berührt und verstört, ohne je seine Menschlichkeit zu verlieren.

(Sarah Falke)

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