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Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück

Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück
USA 2016, Laufzeit: 119 Min., FSK 12
Regie: Matt Ross
Darsteller: Viggo Mortensen, Frank Langella, George Mackay, Samantha Isler, Annalise Basso, Nicholas Hamilton, Shree Crooks, Charlie Shotwell, Kathryn Hahn, Steve Zahn
>> captain-fantastic-film.de/

Viggo Mortensen, der sich in den letzten Jahren als Charakterdarsteller in anspruchsvollen Indie-Produktionen einen Namen machte, brilliert hier als antikapitalistischer Idealist, der seinen Sprösslingen eine Erziehung der anderen Art zukommen lässt. Mit unbeschwertem Duktus zeichnet Regisseur Matt Ross, gleichermaßen schelmisch und ergreifend, die Geschichte einer ungewöhnlichen Familie und liefert das originellste Roadmovie jüngster Vergangenheit.

In einem friedvollen Wald spaziert ein Reh. Plötzlich kracht mit einem Schrei ein mit Schlamm eingeriebener, halbnackter Jugendlicher aus dem Unterholz und ersticht das Tier. Bodevan (George MacKay) tötet es keineswegs zum Spaß, denn bald schon hat sich die ganze Sippschaft eingefunden und macht sich systematisch ans Werk, das Fell, das Fleisch und die Knochen zu verwerten. Anführer des Clans der Kinder mit den altmodischen Namen ist Ben (Viggo Mortensen), der Vater. Damals entschloss er sich mit seiner gegenwärtig abwesenden Frau die gemeinsamen Kinder fernab der korrupten, verschleißenden westlichen Gesellschaft zu erziehen und zog in den tiefsten Wald. Dort lernen die Racker nicht nur Jagen und nachhaltige Agrarwirtschaft, sondern werden auch zu Universalgenies in sämtlichen relevanten Gebieten jedweder Geistes- und Naturwissenschaft ausgebildet. Als er eines Tages mit seinem Ältesten eine kurze Exkursion in das nächste Dorf macht, erfährt er bei einem Anruf, dass seine Frau Suizid begangen hat. Abends teilt er den Kindern die erschütternde Nachricht des Todes ihrer Mutter, sowie der Begleitumstände, mit. Dass diese der Beerdigung beiwohnen wollen, versteht sich von selbst. Trotz ausdrücklichen Verbots vonseiten des Schwiegervaters, verfrachtet Ben die trauernde Familie in den Bus, wirft den Motor an und fährt zurück in die "Zivilisation".

Mit Credos wie "Wir verspotten niemanden. Außer Christen!" steht der Außenseiterstatus der Neuankömmlinge im amerikanischen Alltag natürlich von vornherein fest. Die radikale und unkonventionelle Erziehung liefert allein für die marginalsten Sitten der amerikanischen Kultur genügend Zündstoff. Entgegen den eingetrichterten Grundsätzen geraten die Kinder in Verzückung, als sie zum ersten Mal in einem Fast-Food-Restaurant sitzen und staunend die Speisekarte lesen, auf der Gerichte offeriert werden, die sie höchstens aus den Polemiken ihres Erzeugers kennen. Obwohl Ben ihnen mit allen Mitteln Gegensätzliches eingetrichtert hat, versprühen alltäglichste Gepflogenheiten Faszination. Und auch das rege soziale Leben wirkt anziehend. Beim Campen blamiert sich Bodevan bei einer Gleichaltrigen, die ihn geküsst hat und der er daraufhin prompt einen Heiratsantrag à la Jane Austen macht. Nur eines von vielen Beispielen, in denen die Sprösslinge der Tatsache gewahr werden, dass sie unter "normalen" Umständen sozial nicht kompatibel sind. Dieser Zusammenprall zweier Welten, der einen, in der man Weihnachten feiert und der anderen, wo man den Geburtstag des Intellektuellen Noam Chomskys zelebriert, ist so frivol wie gedankenvoll. Die größte Stärke ist jedoch, dass all die Prinzipien in „Captain Fantastic“ umso verständlicher erscheinen, als man die Welt durch die Augen dieser Familie sieht, die einen so utopischen wie reichhaltigen Lebensstil abseits urbaner Gefilde praktiziert. Dass Viggo Mortensen auf superbe Weise Idealismus an der Grenze zum Fanatismus so einnehmend und locker in sich vereint, ist nur einer von vielen Gründen, sich diese vielschichte Indie-Perle keinesfalls entgehen zu lassen.

(NATHANAEL BROHAMMER )

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