Curveball – Wir machen die Wahrheit
Deutschland 2020, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Johannes Naber
Darsteller: Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virginia Kull
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Wenn Johannes Naber eines kann, dann ist es Dialoge schreiben. Schon in ZEIT DER KANNIBALEN kommentiert er das Weltgeschehen lieber aus Diensträumen und setzt dabei auf pointierte Dialoge, gute Schauspieler und einen ausgeprägten Humor, der in diametralem Gegensatz zu den ernsten Themen steht, die er verhandelt. Seinem neuen Film räumte die Berlinale in diesem Jahr eine Special Gala ein. Und auch in CURVEBALL bleibt einem das Lachen im Halse stecken, denn Dialoge schreiben kann er noch immer und mit bewährtem Team gelingt ihm eine Farce, wie es das Deutsche Kino seit Billy Wilder nicht mehr gesehen hat.
Sebastian Blomberg spielt wieder die Hauptrolle. Diesmal den deutschen Biowaffen-Experten Arndt Wolf, der besessen ist von der Idee, dass der Irak an allen UN-Kontrollen vorbei Anthrax-Viren hergestellt hat. Er hat da eine Theorie, doch es fehlt der Beweis. Das ändert sich, als ein irakischer Asylbewerber behauptet, an der Herstellung von Biowaffen beteiligt gewesen zu sein. Der Bundesnachrichtendienst, der den Informanten unter dem Decknamen Curveball führt, beauftragt Wolf mit einer Einschätzung der Plausibilität und Glaubwürdigkeit der Aussagen.
Der ist völlig aus dem Häuschen, wähnt in dem Iraker den Beweis all seiner Theorien vor sich, freundet sich mit ihm an und holt genau so viele Information aus ihm heraus wie er braucht, um dem BND schließlich eine Theorie vorzulegen, wie sie teuflischer nicht sein könnte.
Währenddessen erschüttern die Anschläge vom 11. September die Welt und setzen die Amerikaner weiter unter Druck. Aus Filmen wie OFFICIAL SECRETS wissen wir, dass sie damals alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um die Massenvernichtungswaffen, die sie im Irak nicht finden konnten, geheimdienstlich nachzuweisen. Nun liegt eine Sensation in der Luft. Ist der nicht gerade mit Erfolg verwöhnte BND den Amerikanern wirklich einen Schritt voraus? Die Dinge in Pullach überschlagen sich ein paar Tage lang, bis die ernüchternde Antwort von ganz oben kommt. Dort wird die Theorie als derart abenteuerlich eingestuft, dass man sie sofort zurückzieht, um sich nicht lächerlich zu machen. Wolf wird entlassen und die Theorie im Geheimtresor ad acta gelegt. Doch die Amerikaner erfahren dennoch von ihr und siehe da, sie gefällt, mangelt es ihnen doch an einer besseren. So wird Wolf rehabilitiert, aus dem Zwangs-Ruhestand zurückbeordert und das Geheimdienst-Karussell darf sich weiter drehen.
Mit sichtbarem Vergnügen macht sich hier ein gut aufgelegtes Ensemble über Geschehnisse lustig, die letztlich zur Invasion der Amerikaner in den Irak führen. Mit viel Scharfsinn beobachtet Johannes Naber die Entstehung dieser Geschichte und wie sie sich in immer absurde Höhen aufschaukelt. Und er warnt uns von Anfang an: "Dies ist eine wahre Geschichte – leider."
So wird der Zuschauer Zeuge einer Farce, in der jeder diese unglaublich Geschichte für seine eigenen Zwecke missbraucht und das solange bis eine fixe Idee immer mehr zur Realität und eine Lüge immer mehr zur Wahrheit wird, was eine Entwicklung in Gang setzt, die die Weltpolitik nachhaltig verändert. Und am Ende wissen wir gar nicht mehr, ob wir einen empörenden Geschichtsfilm oder eine originelle und lustige Geheimdienst-Farce gesehen zu haben, wie es sie seit Billy Wilder im Deutschen Kino nicht gegeben hat.