Das brandneue Testament
Belgien, Frankreich, Luxemburg 2015, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Jaco Van Dormael
Darsteller: Benoît Poelvoorde, Catherine Deneuve, Pili Groyne, Yolande Moreau
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Gott lebt! - und zwar mit Frau und seiner kleinen Tochter Ea in Brüssel. Er spielt den Familientyrannen und überzieht die Menschheit mit immer neuen Geboten, die er in seinen Computer hackt: “Gebot Nr. 2231: Ein Unglück kommt selten allein“. Jaco Van Dormael - bekannt durch seinen wunderbaren Klassiker „Toto der Held“ und „Mr. Nobody“ - ist eine skurrile Tragikomödie mit herrlich poetischen Bildern gelungen, in der ganz „normale“ Menschen, mit ihrem Todesdatum konfrontiert, so richtig neue Lust am Leben bekommen.
Hier ist Gottvater nicht der weise alte Herr mit weißem Rauschebart, sondern eher ein ungehöriger Proll, der meint, dass man den Menschen nur mit Bosheiten beikommen kann, und so tippt er ein Gebot nach dem anderen in seinen Computer und zettelt auch schon mal eine Katastrophe oder einen Krieg an. Dass sein Sohn die Menschheit mit Barmherzigkeit und Empathie bekehren wollte, nimmt er ihm bis heute noch übel. Er steht nun als Jesusfigur eingefroren auf dem Kaminsims. Doch seine zehnjährige Tochter Ea, die allmählich dem Trotz-Alter entwächst, erkennt, dass das, was ihr Vater so treibt, durchaus zweifelhaft ist. Sie berät sich mit ihrem Bruder, den sie liebevoll JC nennt, und er rät ihr nochmal auf die Erde zu gehen und es mit 18 Aposteln zu versuchen. Er hätte damals auf seine Mutter hören sollen, 18 ist die Zahl der Mitglieder einer Baseball-Mannschaft, eine gute Zahl.
Doch bevor sich Ea aufmacht, schleicht sie in das Allerheiligste ihres Vaters, sein Arbeitszimmer, wo sie mittels des göttlichen Computers allen Menschen via SMS ihr Todesdatum verrät. Danach legt sie den Computer lahm und flieht auf die Erde, wo sie als erstes auf den Clochard Victor trifft, den einzigen Menschen, der offensichtlich sein Todesdatum nicht kennt, denn er besitzt kein Handy. Während Ea sich aufmacht, ihre 18 Apostel und Apostelinnen zu suchen, wird Victor zum Protokollanten eines brandneuen Testaments.
Gott Vater tobt, und da er sich in Computersachen nicht so auskennt, muss nun auch er auf die Erde, um Ea zu suchen, die als einzige den Status Quo wiederherstellen könnte. Doch auf Erden spielen sich die erstaunlichsten Dinge ab. Die ganze Menschheit reagiert auf ihre persönliche Todesnachricht mit einer ungeheuren Lebenslust. Soviel Ausgelassenheit sieht Gott Vater nur ungern, der jetzt ein ums andere Mal Opfer seiner eigenen Gebote wird, während zuhause seine Frau die Gelegenheit zu einem ordentlichen Hausputz nutzt, auch in seinem Büro, wo sie einige Stecker zieht, auch den des göttlichen Computers.
Wem sich diese Geschichte zu durchgeknallt anhört, liegt genau richtig, denn Jaco Van Dormael hat mit absolut originellen Ideen und einige politischen Unkorrektheiten eine wahrhaft 'göttliche Komödie' geschaffen, die trotz aller Respektlosigkeit die Probleme des Christentums auf den Punkt bringt. Mit innovativen Ideen, tollen Gags, virtuosen optischen Einfällen und verblüffenden Special Effects nimmt er uns mit auf eine Reise zum Kern der Religion im 21. Jahrhundert, die nicht nur wohl durchdacht und von bezwingender Logik und Konsequenz ist, sondern auch für jede Menge gute Laune sorgt.
(Kalle Somnitz)