Das weiße Band
Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien 2009, Laufzeit: 144 Min., FSK 12
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Christian Friedel, Ernst Jacobi, Ulrich Tukur, Leonie Benesch, Ursina Lardi, Fion MutertT, Michael Kranz, Steffi Kühnert, Burghart Klaußner, Maria-Victoria Dragus, Leonard Proxauf, Thibault Serie, Josef Bierbichler, Enno Trebs, Theo Trebs, Janina Fautz, Rainer Bock, Susanne Lothar, Roxane Duran, Miljan Chatelain, Eddy Grahl
Nee nee nee
Tetischeri (79), 16.12.2009
Aslo echt. Mir ist es noch nie passiert, daß ich im Kino eingeschlafen bin. Aber gestern bei diesem Film ist mir das fast passiert. Der Film war viieeellllll zu lang und total langweilig. Am Anfang dachte ich gar der Ton sei ausgefallen, weil nichts kam. Ich war noch nie so froh, wieder aus dem Kino raus zu sein. Das Thema hätte man den Leuten anders besser nahegebracht.
Verzicht
otello7788 (554), 14.11.2009
Ich war vorher nun wirklich kein Fan von Haneke. Ich glaube, ich habe ihn als den Franz Klammer der Depression bezeichnet. Das muss ich nicht zurücknehmen für "Das weiße Band". Nur ist es diesmal Filmkunst auf höchstem Niveau.
Was für ein Wagnis auf jegliche Musikuntermalung zu verzichten! Dann kaum Kamerabewegungen zuzulassen, in Schwarzweiss zu drehen und keine Identifikationsfigur zu schaffen. Das hat nur geklappt durch erlesendste Darstellerleistung und eine Lichtsetzung/Kamera bei der mir die Adjektive ausgegehen um deren Grossartigkeit zu beschreiben. Wenn der nicht schon lange tot wäre, würde ich sagen, da war August Sander dran beteiligt.
Genial das offene Ende, daß einen lange über den Film hinaus beschäftigt. Die Figuren haben sich bei mir fast archetypisch eingebrannt und ich sehe sie auch jetzt 2 Wochen nach dem Besuch des Films deutlich vor mir. Der Pfaffe hat sogar in mir ein körperlich spürbares Unbehagen ausgelöst, sobald er auf der Leinwand zu sehen war.
Der Film ist ein Meisterwerk und ein tatsächlich ein Muss für Liebhaber dunkler Räume mit flackernden Bildern.
Sittengemälde
Biggi (153), 11.11.2009
würde ich sagen. Der Film ist in der Tat gut inszeniert und gespielt. Wobei ich die Bedrückung, die viele empfunden haben, nicht so nachvollziehen kann. Vielleicht schockiert das die junge Generation. Ich selbst kenne noch solche preußischen Erziehungsmethoden von meinem sehr alten Vater, der 1902 geboren ist. So viel anders ging es da auch nicht zu. Das ist schon alles sehr realistisch dargestellt.
Mir ging die verbale Gewalt gegen die Hebamme und überhaupt gegen Frauen sehr nahe. Das war unglaublich menschenverachtend, was der Herr Doktor so von sich gegeben hat, puh.
Wer nun die Verbrechen begangen hat, bleibt nebulös und wirkt dadurch nicht rund, geradezu unvollendet. Das ist aber auch nicht das Hauptthema des Films.
Das weiße Band, die Wiederherstellung der Unschuld, ist titelgebend.
Welche Erwachsene sich aus unserer Jugend entwickeln, die heute schon extrem gewaltbereit ist auch ohne preußische Erziehung, vielleicht durch zu wenig Erziehung, mag man gar nicht weiterdenken.
Der Film enthält jedenfalls viel Stoff zum Nachdenken.
Nicht zu lang
Raspa (392), 07.11.2009
Ich habe vorher gewisse Bedenken gehabt, ob mir die zweieinhalb Stunden nicht allzu lang werden könnten. Unberechtigte Bedenken. Der Film fesselt den Zuschauer bis zur letzten Minute. Die Gründe dafür sind hier schon von anderen ausführlich dargelegt worden und brauchen nicht wiederholt zu werden. Nur die unglaublich starken Leistungen der kindlichen Darsteller möchte ich noch einmal rühmend hervorheben. Wer dieses Meisterwerk noch nicht gesehen hat, sollte nicht abwarten, bis es bald aus dem Kinoprogramm verschwunden sein wird.
Pflichtlektüre
Bijan (32), 05.11.2009
Ein Meisterwerk, das auf Anhieb einen Stammplatz im Kanon des deutschsprachigen Films anstrebt. Schonungslos klar und keine Sekunde ungenau.
Muss man gesehen haben.
Thriller oder Sittengemälde?
woelffchen (597), 26.10.2009
Sicher beides, was Haneke da bravourös in kühlen schönen Bildern auf die Leinwand zaubert.
Christlich geprägter Eifer, verbunden mit strengen Moralvorstellungen liegen in ständigem Wettstreit mit archaischen Vorstellungen von Gesellschaft, verbunden mit Bigotterie und Lügenhaftigkeit.
Gleichwohl können wir ganz beruhigt bzw. beunruhigt sein, denn die heutige postmoderne Informationsgesellschaft mit ihrer grenzenlosen Libertinage und Orientierungslosigkeit ist da kein Deut besser - nur anders.
Insgesamt zeichnet dieser Film das faszinierende Bild einer in Auflösung befindlichen Gesellschaft am Ende der wilhelminischen Ära, in der sich der angestaute gesellschaftliche Druck in die Euphorie des beginnenden 1. Weltkriegs mit seinen weitreichenden verheerenden Folgen entlädt.
Wie aus Kindern Tyrannen werden
Unser (26), 25.10.2009
Finstere Gestalten sind sie, die Männer in Michael Hanekes Parabel Das weiße Band. So zum Beispiel der Pfarrer ? wenn der im Film auftritt, sitzt man automatisch gerade im Kinosessel. Ein kleiner kantiger Klotz von einem Mann, der seine latente Aggressivität vor sich und Anderen als Treue zu vermeintlich göttlichen Prinzipien ausgibt. Bei ihm trifft sich Sadismus, im Sinne der Tradierung von Vernichtungserfahrung, mit intellektueller und rhetorischer Schärfe. Ein emotionsloses Monstrum ? unberührbar in seiner Borniertheit.
Oder der Gutsverwalter, der ein jovialer wie zudringlicher Riese ist, mit einem Hang zu cholerischen Wutausbrüchen. Wenn der schreit, dass er seinen Sohn umbringe, glaubt ihm das nicht nur seine hilflose Frau im Film, sondern auch der Zuschauer. Und nicht zuletzt der Arzt, der nach den Verfechtern der religiösen und bürgerlichen Prinzipienstarre daherkommt wie eine Reinkarnation von Friedrich Nietzsche und auch so aussieht. Er spricht dann auch wie eine vulgarisierte Version des Philosophen. Der Arzt schert sich weder um Religion, noch um Wohlanständigkeit und ist doch nicht davor gefeit, ein veritables ? Verzeihung ? Arschloch zu sein. Als seine Tochter alt genug ist, um seinen sexuellen Bedürfnissen dienlich zu sein, schickt er seine langjährige Geliebte und Mitarbeiterin auf derartig barbarische Art in die Wüste, dass selbst das unbeteiligte Zuhören weh tut.
Die Frauen sind im Film genau wie die Kinder die Leidtragenden der deformierten Männergestalten. In erzwungener Passivität leisten sie so Beihilfe zur Fortsetzung der moralischen Deformation in ihren Kinder. Bei denen ist die Abspaltung ihrer Gefühle und die Etablierung einer Doppelmoral denn auch schon weit fortgeschritten. Die empfangene Gewalt geben sie munter an Andere, bevorzugt Wehrlose, weiter. Haneke spiegelt die von dieser Generation noch zu erwartenden Grausamkeiten zurück in die filmische Gegenwart.
Das Ganze ist in ruhigen Schwarzweißbildern und mit starken Kontrasten verfilmt. Den Zusammenhang bildet der Sprecher, der als Dorflehrer auch selbst in der Handlung auftaucht. Die undramatische Inszenierung einer schmerzhaft angespannten Situation von geradezu unerträglicher seelischer Grausamkeit hat mich an Ingmar Bergmann erinnert. Dieses nicht unerhebliche Kompliment hat sich Haneke verdient. Was ihm in Vergleich zu Bergmann fehlt, ist ein geschlossenes erzählerisches Bild. In der Welt die er schildert kann man nicht zuhause sein, man kann sie nur erleiden. Spannender Film, der sich weit kürzer anfühlt als er ist (144 Minuten) und eine schöner Beitrag zur unsäglichen Renaissance, die die schwarze Pädagogik gerade erfährt.
Kinder im Aufzugsschacht
CemileTS (137), 22.10.2009
Als ob durch Stromausfall ein Aufzug steckenbliebe,
in der Dunkelheit die Aufzugwände auseinanderfallen.
Die Angst und Ohnmacht endlos erdrückend erscheinen.
Haneckes Themen sind eindeutig Ohnmacht,
stets gelungen inszeniert und bei dieser Arbeit geradezu fesselnd
zitat
tinetuschen (142), 22.10.2009
ich möchte hier mal die meinung des ultra-culture-blogs wiedergeben, da ich ihr zu 100% zustimme: "The best thing about The White Ribbon is that it?s brilliant on any level. You can watch it purely for the performances which are uniformly amazing. You can watch it just for the beautiful black-and-white cinematography. You can reflect on the metaphorical and historical significances of the film, or best of all, just become completely immersed in it?s universe.
145 minutes and not one of them a bit boring. Haneke, we salute you." (quelle: http://www.ultraculture.co.uk/)
Generische Darstellung der "Wiege der Gewalt"...****
dr.wo (22), 20.10.2009
Spannend, bedrückend, schwarz-weiß - aus Gut wird Böse. In einem Interview zum Film sagte Haneke, dass er den Film auch in der heutigen Zeit, beispielsweise im islamischen Kulturkreis hätte spielen lassen können. Das ist sicher richtig. Es geht nicht um eine "Erklärung" der Gewaltbereitschaft in der Nazizeit, sondern um eine generische Darstellung der "Wiege der Gewalt" - wie wir sie überall finden können: in einzelnen Familien, in ganzen Kulturkreisen... Der Film "Wüstenblume" zeigt nur eins von vielen möglichen Beispielen, dass menschenverachtende Verhaltensweisen als "normal", als "Standard" gelten - und das wohlgemerkt heute, nicht "irgendwann damals"...
Ausnahmefilm
Cinemoenti (173), 16.10.2009
Ein Film, den man als Arthausliebhaber gesehen haben muss: zwingend in nahezu jedem Aspekt der Kunstform Film. - Eine Herausforderung an die Nerven (wobei ich mich gefragt habe, ernsthaft gefragt habe und mit Sorge, was Haneke seinen (Kinder-)Darstellern sowie den Kinobesuchern eigentlich noch alles abverlangen will und wird).
Hinsichtlich der sozialpolitischen Aussage war es für mich als Kurzsichtiger besser, vorher etwas über Das Weiße Band gelesen zu haben. Diesbezüglich darf Hanekes Ausnahmewerk als schwer wiegend, als wichtig eingestuft werden. Ein Film, mit dem ich mich weiter beschäftigen möchte.
Der Arzt, der Pfarrer, der Gutsherr, der Lehrer
Colonia (683), 15.10.2009
Ich muss zugeben, ich hatte Angst vor 144 Minuten in Schwarzweiß. Noch dazu von Michael Haneke, nicht eben DER Schöpfer leichter Kinokost.
Vorweg: Alle Sorgen waren unbegründet.
Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt. "Das weiße Band" hat mich tief in seinen Bann gezogen. Nicht berührt (preußisch, protestantisch und 1913 sind den katholischen Rheinländern 2009 sehr weit weg), aber 144 Minuten gefesselt. Haneke-typisch bleibt in "Das weiße Band" vieles optisch verborgen. Die Kamera bleibt draußen, die Szene geht im Kopf des Betrachters weiter, die unterschwellige Spannung ist 144 Minuten lang spürbar.
Das Dorf als Mikrokosmos, seelische Abgründe wohin man schaut. Bei Haneke sind die Eltern, vor allem die Väter, schuld. Weil aber mehrere Generationen davor und auch die eine oder andere danach es kaum besser gehabt haben dürften, scheint mir der Weg vom Kind 1913 zum Erwachsenen des Jahres 1933 nicht so klar vorgezeichnet, wie das Feuilleton gerade tut.
Es ist - dennoch - Hanekes Meisterwerk. Und das liegt unter anderem an der Perfektion und Präzision von "Das weiße Band". Der Film sieht aus, als habe Kameramann Christian Berger, der u.a. schon die unterkühlten Bilder in "Caché" und "Die Klavierspielerin" lieferte, sein Arbeitsgerät direkt im Jahr 1913 aufgebaut und laufen lassen. Die Atmosphäre ist atemraubend und angsteinflößend zugleich. Es gibt keine Musik, wo keine Musik spielt und kein Licht, wo nicht die Sonne scheint oder jemand eine schwache Öllampe entzündet.
Fantastische Schauspieler tun ihr Übriges, wobei man die Leistung der Kinderdarsteller gar nicht hoch genug loben kann.
Huch
Kollerteral.. (54), 12.10.2009
Geschätzte Cemile, womit hat der ehem. kinokoller das nur verdient? Er hat sich doch nur ein bisschen rarer gemacht :p
Erfreut
CemileTS (137), 10.10.2009
Ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, aber sehr erfreut bin ich über die Entwicklung von "Kollerteral"..irgendwie ist er zugänglicher als sonst zuvor.
enttäuscht
Kollerteral.. (54), 10.10.2009
Im Vorfeld habe ich es vermieden Kritiken zu Hanekes neuestem zu lesen. Nun, hinterher, kann ich die Lobhudeleien der Feuilletons nicht ganz teilen (und stehe damit wohl ziemlich allein da), denn der Film wurde meinen persönlichen Ansprüchen an einen Regisseur vom Format eines Michael Haneke nicht wirklich gerecht.
Keine Frage, der Film ist gut. Sehr gut. Allen voran seine Darsteller. Handwerklich latürnich auch. Trotzdem hat der Meister des "Nicht Zeigens" mich enttäuscht. Nicht Zeigen, das macht er auch diesmal. Es ist das Resultat dessen, was er uns zeigt: patriarchaisch-autoritäre Gewalt. Und diese hat als Auslöser in meinen Augen weitaus mehr Relevanz als deren Wirkung, welche nur angedeutet wird. Somit dürfte ich Haneke wahrscheinlich mal wieder auf den Leim gegangen sein.
Aaaaber: warum hat der Film mir nun trotzdem nicht so recht gefallen? Ganz einfach. Weil er mich als Zuschauer, ganz im Gegensatz zu seinen bisherigen Filmen, nicht gefordert hat. Hanekes Werke zeichnen sich, für mich persönlich, immer dadurch aus, daß sich der Film erst im Kopf des Betrachters komplettiert. Dies erreicht er zum einen durch das o.g. Nicht Zeigen, zum anderen mittels formaler Experimente, welche er hier komplett aussen vor lässt.
Beide Kniffe bewirken bei mir jedesmal eine unglaubliche, unterschwellige Spannung, welche sich in DAS WEIßE BAND nicht so recht einstellen möchte. Mitdenken, daß was Haneke sonst vom Publikum regelrecht einfordert, ist hier nicht notwenwendig. Es wird alles er- und schlußendlich sogar so gut wie aufgeklärt (auch wenn das der ein oder andere Rezensent vermutlich anders sehen dürfte).
Für einen Haneke war mir der Film insgesamt zu zugänglich, zu konventionell. An Kaliber vom Format eines CACHÉ oder WOLFZEIT kommt sein neuester leider nicht heran. Werde mir den Film sicherlich irgendwann noch einmal ansehen und meine Meinung ggf. überdenken - diesmal bin ich jedoch vermutlich in eine viel zu große Erwartungsfalle getappt.