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Dear Wendy
Dänemark/ Deutschland/ Großbritannien/ Frankreich 2004, Laufzeit: 101 Min.
Regie: Thomas Vinterberg
Darsteller: Jamie Bell, Bill Pullman, Michael Angarano, Danso Gordon, Novella Nelson, Chris Owen, Alison Pill, Mark Webber

"Sind wir verrückt nach Waffen oder einfach nur verrückt?", fragte Michael Moore in "Bowling for Columbine" und analysierte die schlimme Paranoia, an der Amerika leidet. Auch Lars von Trier beschäftigt sich seit einiger Zeit mit amerikanischer Befindlichkeit. Nach seinem "Dogville" und demnächst "Manderlay" steuerte er zu "Dear Wendy" nur das Drehbuch bei und überließ Thomas Vinterberg ("Das Fest") die Regie. Erstmals arbeiten die beiden Begründer des inzwischen aufgelösten Dogma 95-Manifests in dieser Kombination zusammen. Das Ergebnis ist eine bitterböse, vor Zitaten und Augenzwinkern berstende Neo-Western-Satire. Sei es die Lust an der Detonation oder das Gefühl der Macht. Von Waffen, insbesondere Handfeuerwaffen, geht eine seltsame Faszination aus, derer sich auch pazifistisch gesonnene Zeitgenossen kaum entziehen können. Bekannte Intellektuelle und Kriegsgegner wie Beat-Autor William S.Borroughs und Journalist Hunter S. Thompson waren Waffenfanatiker. Letzterer setzte seinem Leben mit einer Kugel in den Kopf vor kurzem selbst ein Ende und man kam seinem letzten Wunsch nach und verschoss seine Asche über dem Ozean. Am Anfang von "Dear Wendy" steht eine vermeintliche Spielzeugpistole, die der introvertierte und schüchterne Dick verschenken will - und dann doch selbst behält. Als ihn sein Arbeitskollege aus der Drogerie von der Echtheit des Damencolts überzeugt, spürt Dick, dass ihm das Eisen in der Tasche ungewohntes Selbstvertrauen verleiht. Diese Erfahrung will er unbedingt weitergeben und schart eine Gruppe Verlierertypen um sich, die ähnliche Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl haben wie er selbst. So wird schließlich der Club der "Dandies" gegründet, deren Mitglieder sich als Pazifisten mit Waffen definieren. In ihrem Versteck, einer stillgelegten Zeche, zelebrieren die Jugendlichen einen bizarren Waffenkult. Ihre "Partner" erhalten Namen: "Black Steel", "Lee & Grant" und eben "Wendy". Die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschieben sich mehr und mehr und münden schließlich in einem Rausch der Gewalt. In seiner Künstlichkeit erinnert das Produktionsdesign an von Triers "Dogville", obwohl bei weitem nicht so stark abstrahiert. Vielmehr wurde für die kleine Berarbeiterstadt eine zeitlose Kulisse mit ur-amerikanischen Ingredienzen entworfen. Als Drehorte dienten dabei Kopenhagen und eine stillgelegte Zeche im Ruhrgebiet. Die Handlung wird von einem leicht ironisierenden Off-Kommentar des Protagonisten Dick (wunderbar in der Rolle: Jamie "Billy Elliot" Bell) begleitet, wie weiland in Stanley Kubricks "Barry Lyndon". Er eröffnet als Erzähler den Film und beendet ihn. Geräusche und Nebentöne sind manchmal nur schwach zu hören, als lägen sie in weiter Ferne; die Musik wiederum drängt sich in den Vordergrund - die Lieder von "The Zombies" sind Teil der Handlung. Neben den besonderen akustischen Mitteln findet sich hier auch ein Spiel mit verschiedenen Bildarten, mit Zeitlupe, Standbildern, Fotos und Zeichnungen. Das Gemeinschaftswerk der Dänen Thomas Vinterberg und Lars von Trier zeichnet sich durch den unbändigen Gestaltungswillen und die verstörende Kraft aus, die man von beiden Filmemachern kennt. Doppelbödig und schwarzhumorig werden bei "Dear Wendy" amerikanische Mythen ad absurdum führt und gleichzeitig eine neue Perspektive in die Diskussion um den Waffenkult eingebracht.

(Eric Horst, playtime by biograph)

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