Der Gott des Gemetzels
Deutschland, Frankreich, Polen 2011, Laufzeit: 79 Min., FSK 12
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly
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Zwei Elfjährige prügeln sich auf dem Spielplatz, was den Verlust eines Zahnes zur Folge hat. Die Eltern wollen den Vorfall wie vernünftige Menschen klären und entfachen dabei einen Sturm im Wasserglas, der ihnen die Masken vom Gesicht reißt. Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza inszeniert Roman Polanski mit „Der Gott des Gemetzels“ eine bissige Gesellschaftssatire mit hochkarätiger Besetzung.
Wir müssen reden! Wo immer diese Aufforderung am Anfang eines Gesprächs steht, ist eigentlich schon klar, dass nichts Gutes folgen wird. Eine Floskel, die nur oberflächlich den Wunsch eines vernünftigen Diskurses signalisiert, in Wirklichkeit aber bedeutet, dass man/frau Probleme mit dem Gegenüber hat, dies aber so nicht aussprechen will. Eigentlich bedeutet dieses „Wir müssen reden!“: Ich will jetzt streiten, weil Du mir auf den Keks gehst. So verwandelt sich der liebe Gott in den Gott des Gemetzels...
Wie vernünftige Menschen wollen auch zwei New Yorker Pärchen den Streit ihrer Söhne klären, bei dem einen der beiden der Zahn ausgeschlagen wurde. Die Eltern des "Opfers", Penelope und Michael (Jodie Foster, John C. Reilly) haben die Eltern des "Übeltäters", Nancy und Alan (Kate Winslet, Christoph Waltz), eingeladen, um über den Vorfall zu sprechen. Was harmlos beginnt, entwickelt sich im Laufe des Gesprächs zu einem Streit, in der alle Beteiligten ihre Contenance verlieren. Die bürgerliche Fassade bröckelt ab. Gegenseitige Vorurteile, unterschiedliche Ansichten und latente Minderwertigkeitskomplexe übernehmen das Ruder und jede/jeder will das letzte Wort haben. Die Mücke mutiert zum Elefanten.
Roman Polanski hält sich in seiner Verfilmung eng an die Vorlage von Yasmina Reza und behält die Form des Kammerspiels bei. Gerahmt von den Ereignissen im Park mit den beiden Jungen spielt der gesamte Film im Appartement von Penelope und Michael. Sozusagen eine geschlossene Abteilung, in der der Zuschauer zum Zeugen der irrwitzigen Ereignisse wird. Und es bekommt jeder sein Fett weg: Während Penelope und Michael die typischen Gutmenschen sind, sind Nancy und Alan realistische Karrieremenschen. Doch nach und nach wird klar, dass dies nur Rollenklischees sind, um sich entsprechend zu präsentieren.
Polanski nutzt jede Möglichkeit, um satirische Seitenhiebe auszuteilen und hält damit auch dem Betrachter einen Spiegel vor. Und er setzt noch einen drauf, um Bigotterie anzuprangern, in dem er die New Yorker Broadway-Variante des ursprünglich in Paris spielenden Stückes wählt. Schließlich würde für Polanski die Einreise in die Staaten immer noch Haft bedeuten und er hat diese seit 1978 nicht mehr betreten. Gedreht wurde in Frankreich.
„Der Gott des Gemetzels“ überzeugt durch Polanskis kompakte Inszenierung und seine Fähigkeit aus der Vorlage, dem Setting und seinen Schauspielern das Optimum herauszuholen. Besonders Jodie Foster spielt erfolgreich und mit Mut zur Hässlichkeit gegen ihr eigenes Image an und dann ist da noch Christoph Waltz. Spätestens nach diesem Auftritt wird klar, wie gut er wirklich ist und wie er seine Rollen ironisch brechen kann, ohne sie zu verraten. Quentin Tarantino ist nicht genug zu danken, dass er das für seinen Film „Inglourious Basterds“ erkannt hat und ihm damit den Weg in die Oberliga ebnete.
Selten hat es mehr Spaß gemacht, Menschen beim Streiten zuzuschauen und gleichzeitig die Verlogenheit in unsere modernen Gesellschaft entlarvt zu wissen, da es auf so vielschichtige, intelligente und vor allem humorvolle Art und Weise passiert. Da gibt es nichts zu reden.
(Eric Horst)