Filminfo & Termine
Die Herbstzeitlosen
Schweiz 2006
Regie: Bettina Oberli
Darsteller: Stephanie Glaser, Annemarie Düringer, Heidi Maria Glössner, Monica Gubser, Hans Peter Müller-Drossaart, Lilian Naef, Monika Niggeler, Peter Wyssbrod, Ruth Schwegler
Das Emmental ist hierzulande vor allem bekannt durch seinen beliebten Käse. Dass es in diesem Schweizer Landstrich auch ansonsten recht turbulent zugeht, beweist Regisseurin Bettina Oberli in ihrem munteren Senioren-Emanzipationsfilm "Die Herbstzeitlosen". Alles nimmt seinen Anfang, als die 80-jährige Witwe Martha sich einen Jugendtraum erfüllt und ihren vor sich in dümpelnden Tanta-Emma-Laden kurzentschlossen in eine Dessous-Boutique umwandelt. Ihr ganzes Leben hat Martha mit ihrem Mann im kleinen Dorf Trub verbracht. Nach dessen Tod überwiegt die Trauer. Da kommt ihr eine neue Aufgabe gerade recht. Es gilt für das nahende Dorffest eine neue Vereinsfahne zu fertigen. Mit ihren Freundinnen Lisi und Frieda bricht sie auf nach Bern, um Stoff zu besorgen. Zwischen Samt, Seide und feinen Spitzen erinnert sie sich an den unerfüllten Traum an eine eigene Boutique auf der Champs-Elysée. Doch warum diesen Traum nicht im heimischen Trub verwirklichen, fragt sich ihre lebenslustige Freundin Lisi und steckt Martha mit ihrem Elan an. Ohne Wissen ihres konservativen Sohnes Walter, der Pfarrer in dem kleinen Örtchen ist und den Laden seiner Mutter schon als Gemeinderaum im Auge hat, macht Martha Nägel mit Köpfen und wandelt den Laden mit Hilfe ihrer beiden Freundinnen in eine Dessous-Boutique um. Eine Schnaps-Idee, findet nicht nur Walter - das ganze Dorf steht Kopf. Doch Martha lässt sich nicht beirren. Nächtelang entwirft die gelernte Schneiderin eigene phantasievolle Kreationen. Doch sie hat in ihrer Euphorie nicht mit der Engstirnigkeit ihrer Nachbarschaft gerechnet. Überall ist die sündige Boutique das Tagesgespräch. Walter stellt seiner Mutter schließlich ein Ultimatum. Sie soll den Laden seiner Bibelgruppe überlassen. Als sie sich weigert, rückt Walter selbst an und entrümpelt in einer Nacht- und Nebelaktion eigenhändig die kostbaren Mieder. Doch das weckt den Widerstandsgeist der betagten Damen, denn auch die Freundinnen haben erkannt, dass Senioren noch jede Menge Spaß haben können. Von Martha neu gewonnener Selbständigkeit angesteckt, macht die eine den Führerschein und verlässt ihren nörgelnden Ehemann, die andere knüpft neue Bande im Altersheim. Und auch in Sachen Dessous-Boutique lässt sich das Trio nicht entmutigen, wofür gibt es schließlich das Internet? Inspiriert wurde Regisseurin Bettina Oberli zu ihrem Film von ihrer eigenen Großmutter, einem Emmentaler Urgestein. Eine deren alleinstehenden Freundinnen fuhr eines Tages mit einem neuen knallroten VW-Käfer vor und das ganze Dorf bewunderte sie insgeheim dafür, sich etwas einfach nur so für sich geleistet zu haben. "Denn auch nach dem Tod ihrer Ehemänner leben die Frauen hier meist so weiter, wie man es bisher von ihnen erwartete: von morgens bis abends im Haus und im Garten zu arbeiten und dem Gemeinwohl zu dienen", so die Regisseurin. Sinnlichkeit und Lebensfreude bleibe da häufig auf der Strecke. Dass dies nicht so sein muss und man im hohen Alter durchaus fortschrittlicher sein kann als die eigenen Kinder, zeigt Oberli in ihrer humorvollen Attacke auf festgefahrene patriarchalische Strukturen. Dass es dabei so unterhaltsam und vergnüglich zugeht wie bei den "Kalender Girls" liegt nicht zuletzt an der superb aufspielenden Schauspielercrew.
(Anne Wotschke, playtime by biograph)
