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Die Mitte
Deutschland 2003, Laufzeit: 86 Min.
Regie: Stanislaw Mucha
Darsteller: Pawel Bartoszewicz, Marc Baumgartner, Dariusz Blaszczyk, Michal Hirko, Familie Hofbauer, Raja Horodetska, Hasici Kremnica, Anna Marcinkiewicz, Eugeniusz Marcinkiewicz, Wladyslawa Naruszewicz, Anna Neumann, Ernest Neumann, Molfar Nytschaj, Armin Orthwein, Romek R. Polanski, Ilona Scheff

Die Frage nach der geographischen Mitte Europas, der Stanislaw Mucha in seinem Dokumentarfilm "Die Mitte" nachgeht, bringt erstaunliche Ergebnisse hervor. In einem Umkreis von zweitausend Kilometern erheben die verschiedensten Orte den Anspruch darauf, der Nabel Europas zu sein. Auf seiner überaus interessanten und Erkenntnis bringenden Reise, begleitet der Zuschauer den polnischen Regisseur und erlebt eine kurzweilige, ja schon tragikomische Odyssee durch einen Kontinent voller Mitten. Ob nun ein wenig mehr rechts oder links neben einem Stein in der Ukraine, an der Autobahn hinter Frankfurt, im Trüben Wasser eines polnischen Sumpfes oder "Hier! Genau hier" wie eine energische Pfälzerin mit Nachdruck erklärt, es geht immer um die Mitte Europas. Eine Frage die nicht nur dato, sondern schon seit Generationen aktuell ist und immer wieder zu wildesten Hypothesen und skurriler Selbstbehauptungen führte und noch führt. Seine Reise in Deutschland beginnend geht es durch den Teutoburger Wald, die Pfalz bis nach Saarbrücken um den Mittelpunkt zu suchen. Auch ein Essener gibt vor diesen genau zu kennen. Nicht verwunderlich, dass der dann auch genau in Essen liegt. Japanische Touristen die im österreichischen Braunau am Inn des Geburtshaus Hitlers fotografieren interessiert dies Thema weniger, als den dort ansässigen Betreiber des Gasthofs "Mittelpunkt Europa", der erklärt, dass einst Napoleon hier seine Mitte fand. Weiter geht es in östlicher Richtung, in die Slowakei. Deren Meinung zum Thema kann man treffend einem Wahlplakat entnehmen, auf das der angesprochene Slowake deutet. "In der europäischen Union aber nicht mit nackten Ärschen." Je weiter östlich Mucha vordringt umso vielfältiger werden die Gedenksteine und Tafeln zur europäischen Mitte. Aber auch die Redseligkeit der befragten Personen nimmt zu. Über ihre Arbeitslosigkeit und Armut zu berichten, liegt ihnen dabei aber näher am Herzen. So unwahrscheinlich es klingen mag, selbst die Ukraine erhebt noch Anspruch auf den Mittelpunkt. In einem Kiosk auf der "Straße des Friedens" sitzt Raja, eine kleine, alte, weißhaarige Ukrainerin, die sich selbst als Mitteleuropäerin sieht. Sie lächelt nur als Antwort auf die Frage nach der Mitte und deutet auf ihre Armbanduhr, die acht Uhr europäische statt der offiziellen zehn Uhr Kiewer Zeit anzeigt. Einen Vergleich mit dem Vorzeige-Dokumentarfilmer Michael Moore braucht Mucha, unter anderem bekannt durch seine Dokumentation "Absolut Warhola", keineswegs zu scheuen. Er versteht es immer wieder auf ganz eigene Weise für ein theoretisches Thema, Bilder mit viel Gefühl und menschlicher Wärme zu finden. Betrachtet man die Geschichten der vorkommenden Personen einmal näher, so ist denn auch die Frage, wo nun genau die Mitte von Europa liegt, eher zweitrangig. Wehmut tut sich gar am Ende des Films auf, würde man doch zu gerne noch die ein oder andere Stunde im Kiosk von Tante Raja verweilen und das illustre Treiben weiter verfolgen.

(Mathias Bornemann, playtime by biograph)

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