Drive
USA 2011, Laufzeit: 101 Min., FSK 18
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaac, Ron Perlman, Christina Hendricks
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Der Gewinner des diesjährigen Regie-Preises in Cannes gehört zu den seltenen Filmen, denen man sofort ansieht, dass sie Kult-Potential haben. In eleganten Bildern und mit einem großartigen Synthie-Soundtrack ist es dem dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn gelungen den Erfolgs-Krimi von James Sallis als faszinierenden Genre-Mix zu adaptieren und gleichzeitig den „coolsten“ Film des Festivals abzuliefern. Ryan Gosling überzeugt darin als namenloser und wortkarger Fluchtwagen-Fahrer, der sich in die zerbrechliche Frau eines Ex-Gangsters verliebt und immer tiefer in kriminelle Machenschaften verstrickt wird.
Die nächtliche Stadt pulsiert unter dem Auge der Kamera, das über den geometrischen Straßenzügen L.A.s schwebt und geradezu einen Gegensatz zur unbewegten Mimik des mysteriösen Protagonisten (Ryan Gosling) bildet. Die Regeln für seine Auftraggeber formuliert er immer gleich: Es gibt einen Treffpunkt und ein Zeitfenster von fünf Minuten. Er trägt keine Waffe und stellt keine Fragen. Er fährt. Kein leichtes Unterfangen einen todsicheren Bruch hinzukriegen, wenn die Alarmanlage schon ausgelöst hat und die Polizei über Funk Helikopter anfordert. Doch der namenlose Fahrer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, kaut lässig auf seinem Zahnstocher und beginnt einen waghalsigen Trip auf der Überholspur, der „Bullit“ alle Ehre machen würde.
Tagsüber fährt er Stuntwagen für Hollywoodfilme und setzt auch dort sein Leben aufs Spiel ohne mit der Wimper zu zucken, wenn er nicht gerade in der Werkstatt seines väterlichen Freundes Shannon („Breaking Bad“-Star Bryan Cranston) Autos tuned. Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein sensibler und einsamer Einzelgänger, der auf dem Flur zu seinem Apartment immer wieder auf die fragile Nachbarin Irine (Carey Mulligan) trifft. Die alleinerziehende Mutter fasziniert ihn mit ihrem gütigen Wesen und als er beobachtet, wie ihr Auto liegen bleibt, tritt er zögerlich mit ihr in Kontakt. Schließlich entwickelt sich zwischen ihnen eine stille Liebesbeziehung, die radikal unterbrochen wird, als ihr brutaler Ehemann Standard aus der Haft entlassen wird. Dessen kriminelle Kontakte melden sich schnell wieder und werden zur Bedrohung für seine ganze Familie, was der Fluchtwagen-Fahrer natürlich nicht zulassen kann, so dass er einwilligt Standard bei einem letzten Coup, der ihn für immer freikaufen soll, zu helfen. Doch diesmal hat sich der einsilbige Antiheld mit Mächten angelegt, denen er nicht so einfach entkommen kann...
Nicolas Winding Refn, der einigen Kennern schon von Filmen wie „Bronson“ oder „Walhalla Rising“ bekannt sein dürfte, spielt auch hier wieder mit Formen grotesker Ultra-Männlichkeit, die er in ihrer Gewalttätigkeit grell ausstellt und in ihrem Ursprung als Schmerz und Wahnsinn vorführt. Verpackt ist dies in einer unglaublich stilvollen und konsumierbaren Ästhetik, einer hervorragenden Kameraarbeit. Wenn zum Filmbeginn der Titel in pinken Schriftzügen zu einem unverkennbaren Retro-Sound erscheint, werden Erinnerungen an die frühen Filme von Michael Mann und Walter Hill wach, den „Männerfilmen“ der 80er. Die Kamera zentriert uns auf die Perspektive des Hauptdarstellers; anstatt die Autojagden in einer gewöhnlichen Außenperspektive zu zeigen, filmt Refn diese stets im Wagen mit Blick auf das maskenhafte Gesicht des Fahrers, wodurch eine ungeheure Dynamik und Spannung entsteht. Dabei nimmt er sich für seine Figuren viel Zeit und lässt die Action-Sequenzen dann umso abrupter über das Publikum hereinbrechen, ähnlich wie die emotionalen Gefühlsausbrüche, die den tragischen Fahrer angesichts seiner plötzlich erkannten Verletzbarkeit überkommen. So klingt der warme Synthie-Sound der Band „College“ am Ende umso ambivalenter, wenn es heißt: „...and you have come to be – a real human being. And a real hero.
(Silvia Bahl)