Edelweißpiraten
Deutschland/ Niederlande/ Schweiz/ Luxemburg 2002, Laufzeit: 100 Min., FSK 12
Regie: Niko von Glasow-Brücher
Darsteller: Ivan Stebunov, Bela B. Felsenheimer, Anna Thalbach, Simon Taal, Jochen Nickel, Dominik Bromma, Florian Wilken, Johannes Schaller, Ola Wasiliewa, Volker Röhlich
Echte Menschlichkeit
KlausH4711 (1), 16.11.2005
Der Film "Edelweißpiraten" ist eine schroffe Darstellung des Alltags der Gruppe betrachtet durch die Augen normaler, nahbarer Menschen. Er ist das Gegenteil eines Betroffenheitsfilms und auch keine Glorifizierung einer Widerstandsgruppe wie z. B. in "Die Weiße Rose".
Es werden bewußt keinerlei intellektuelle Hintergründe beleuchtet. Auch fehlen große Spannungsbögen, mitreissende Bilder oder packende Dialoge. Ruppige Schnitte, seltsam unvorbereitet wirkende Schauspieler sowie chaotische Geräuschkulissen und Szenen treten an deren Stelle. Das macht den Film jedoch sehr anstrengend und wenig unterhaltsam.
Der Film schenkt seinen Betrachtern durch seine Unnittelbarkeit die Freiheit, die Mitglieder der Gruppe, die hier gewürdigt werden, als Menschen der Gegenwart zu erkennen und damit wieder lebendig werden zu lassen.
Warum?
Colonia (683), 11.11.2005
Es ist zum Haare und sonstwas raufen: Da nimmt sich ein Kinofilm endlich mal eines interessanten und bislang unbeachteten Themas an, und dann kommt etwas so Ungares dabei heraus.
Ich freue mich, dass die Kölner Edelweißpiraten 60 Jahre nach Kriegsende mal in den Fokus gerückt werden. Eine Gegenbewegung zur HJ, der allein in Köln laut Off-Kommentar des ehemaligen Piraten Jean Jülich mehrere Tausend Jugendliche angehörten. Wer hat je von ihnen gehört?
Wenn auch der Widerstand nicht politisch motiviert war, so ist mir doch unverständlich, dass man so lange Zeit fast gar nichts über diese Gruppe erfahren hat.
In Ehrenfeld wurde 1986 eine eher unscheinbare Gedenktafel angebracht. Hier wurden in den letzten Kriegstagen noch Edelweißpiraten hingerichtet, was Ausgangspunkt für den Film und die Geschichte von Karl und seinem jüngeren Bruder Peter ist.
Warum also macht man einen Film, wenn man nicht das Geld dazu hat? Die "Edelweißpiraten" kranken an so vielen Ecken: Man sieht dem Film an, dass er nichts kosten durfte, die schauspielerischen Leistungen sind bis auf wenige Ausnahmen laien-, Drehbuch und Dramaturgie stellenweise zweifelhaft.
Dabei hatte man so viele Möglichkeiten: Einen Überlebenden (Jean Jülich), der seine eigene Edelweißpiraten-Geschichte noch erzählen kann, eine authentische Geschichte aus der Zeit des Dritten Reiches, in der Soldaten und KZs mal (fast) keine Rolle spielen. Der Fokus liegt auf der normalen Bevölkerung, die in einer komplett ausgebombten Stadt ein Dasein unter ungeheuerlichen Umständen fristet. Das wird gezeigt, ohne diese Menschen gleich zu "Opfern" zu machen.
Man erfährt nichts über die Motivation der einzelnen Jugendlichen, die als Edelweißpiraten durch die Trümmerwüste ziehen. Und die ständig abgefilmten gleichen drei Ecken (in Sankt Petersburg wurde aus Kostengründen gedreht) verstärken den Eindruck, dass überall gespart werden musste.
Und dann, als ich mich schon mindestens 85 Minuten über die vielen vertanen Chancen geärgert habe, überrascht mich der Film mit einer unglaublich beeindruckenden und unter die Haut gehenden Szene (öffentliche Erhängung der Jungendlichen) und fährt anschließend noch mal schauspielerisch und dramaturgisch groß auf. Da ist es leider schon zu spät und es bleibt ein mehr als schaler Eindruck.
www.edelweisspiraten.com (zum Film)
www.edelweisspiraten.de (Hintergründe)
Gute Absicht, schlecht umgesetzt
gutzi (182), 04.11.2005
Wenn der Regisseur vor Beginn des Films erzählt, daß er zehn Jahre benötigte, um den Film finanziert zu bekommen, die gute Absicht deutlich zu erkennen und das Thema dann noch so brisant ist, traut man sich ja kaum, es so deutlich zu sagen, aber der Film ist zwar gut gemeint, aber leider schlecht gemacht. Wenig gute Schauspieler sagen grottenschlechte Texte auf, die durch den schlechten Ton ohnehin vielfach nicht zu verstehen sind, die Optik ist schlecht und der Schnitt noch schlechter bzw. für mich nicht nachzuvollziehen. Zum Ende hin packt einen der Film aufgrund der Dramatik dann doch noch, aber wirklich retten tut ihn das nicht.
Einziger Pluspunkt ist für mich die Tatsache, daß ich auf diese Weise überhaupt etwas über die mir bis dahin zugegebenermaßen unbekannten Edelweißpiraten erfahren habe. Und das ist ja auch schon mal was.