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Ein kleines Stück vom Kuchen
Iran, Schweden, Frankreich, Deutschland 2024, Laufzeit: 96 Min., FSK 12
Regie: Maryam Moghadam, Behtash Sanaeeha
Darsteller: Lili Farhadpour, Esmaeel Mehrabi
>> tickets.alamodefilm.de/ein-kleines-stuck-vom-kuchen

Auf der diesjährigen Berlinale war der iranische Film EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN einer der Lieblinge von Zuschauern und Presse. Er galt als einer der Top-Favoriten und viele waren enttäuscht, dass er von der Jury komplett ignoriert wurde. Zu Unrecht, denn die herzerwärmende Liebesgeschichte wirft ganz unaufgeregt ein Schlaglicht auf das Leben und die Bedürfnisse der älteren Generation im heutigen Iran. Für die iranische Regierung offensichtlich ein Grund, das schon länger zusammen arbeitende Regie-Duo an der Ausreise zum Festival zu hindern, wo sie ihren Film persönlich vorstellen wollten.

Im Mittelpunkt steht die 70-jährige Witwe Mahin, deren Ehemann schon seit 30 Jahren verstorben ist. Sie lebt in einem großen Haus, doch das Leben ist teuer geworden und sie muss an allen Ecken und Enden sparen. Ihre Kinder leben im Ausland, melden sich zwar hin und wieder via Skype, doch Mahin ist weitgehend auf sich allein gestellt. Einmal im Monat kommen ihre Freundinnen zu Besuch, um den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen und über ihre größeren und kleineren Wehwehchen zu klagen. Doch obwohl Mahin da durchaus mithalten kann, erwartet sie noch mehr vom Leben.
Als ihre Freundinnen ihr raten, doch mal nach einem neuen Mann zu suchen, findet sie die Idee erst etwas abwegig. Doch je mehr sie darüber nachdenkt, desto attraktiver erscheint sie ihr, und zu ihrer eigenen Überraschung macht sie gleich bei der nächsten Taxifahrt Nägel mit Köpfen. Denn am Steuer sitzt Faramarz, den sie gerade erst in einem Café für Pensionäre beobachtet hat. Entgegen den Gepflogenheiten setzt sie sich nicht nach hinten ins Taxi, sondern auf den Beifahrersitz und lädt ihn während der Fahrt zu sich nach Hause ein. Auch Faramarz scheint die muntere Seniorin sympathisch zu finden und er scheint zu ahnen, was da noch kommen kann. Vorsichtshalber hält er noch einmal bei einer Apotheke an, um sich mit dem Notwendigen zu versorgen. Das Ganze mündet in einen für beide unvergesslichen romantischen Abend mit überraschendem Ende, das hier natürlich nicht verraten werden soll.
Wer hier eine politisch hoch aufgeladene Geschichte erwartet, liegt falsch. Doch kleine Seitenhiebe auf das Regime in der ansonsten aus westlicher Sicht völlig harmlosen Romanze scheinen schon ausreichend, um die iranische Regierung nervös zu machen. So setzt sich Mahin sehr resolut in einer kurzen Szene für ein junges Mädchen ein, das mitten auf der Straße von der Sittenpolizei angehalten wird, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht korrekt trägt, und kann verhindern, dass diese verhaftet wird.
Grund mag aber auch der erste Film des schon lange auch beruflich zusammenarbeitenden Ehepaars zu sein, das bereits 2022 mit seiner filmischen Kritik an der Todesstrafe THE BALLAD OF THE WHITE COW im Berlinale-Wettbewerb für Aufsehen sorgte. Im Gegensatz zu beispielsweise Andreas Dresens WOLKE 9 wird hier das Thema Lust und Erotik unter Senior*innen nicht explizit, sondern ganz unaufgeregt und beiläufig inszeniert. Die Filmemacher*innen setzen mehr auf Humor und Empathie als auf bewussten und drastischen Tabubruch - obwohl unsere beiden Protagonisten sich aus Sicht der islamischen Scharia strafbar machen. Letztendlich treten aber in der westlichen wie in der iranischen Gesellschaft erstaunliche Parallelen zutage. Einsamkeit im Alter ist ein globales gesellschaftliches Problem, das hier realistisch eingefangen und mit der Aufforderung verbunden wird, aktiv dagegen anzugehen - auch wenn die dagegen sprechen.

(Anne Wotschke)

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