Enemy
Kanada, Spanien 2013, Laufzeit: 90 Min., FSK 12
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Melanie Laurent, Sarah Gordon
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Noch bevor er, ebenfalls mit Jake Gyllenhall in der Hauptrolle, den Erfolgs-Thriller „Prisoners“ drehte, widmete sich der kanadische Regisseur Denis Villeneuve der Adaption eines surrealen Romans von Nobelpreisträger José Saramago („Die Stadt der Blinden“). Die kafkaeske Inszenierung von „The Double“ ist ihm hervorragend gelungen: in eleganten wie enigmatischen Bildern erzählt er von einem Mann, der durch einen seltsamen Zufall in der eigenen Stadt auf seinen exakten Doppelgänger stößt – und an die Grenzen des eigenen Verstandes. „Enemy“ ist eine hypnotische Reise in die verwinkelten und widersprüchlichen Pfade des Psycho-Sexuellen.
In einem exklusiven Nachtclub kündigt sich das traumähnliche Setting des Gesamtfilms bereits an – ein seltsam entrückter Raum, in welchem eine Gruppe Männer in Anzügen gebannt den erotischen Bewegungen einer blonden Stripperin folgen, die unter einer goldenen Servierglocke eine Vogelspinne zum Vorschein bringt. Langsam bewegt sich diese über die Bühne, überschattet von den spitzen High-Heels der Frau, mit denen sie das Tier schließlich zertreten wird.
Das Gesicht eines Mannes, der seinen Blick nicht abwenden kann. Eine ebenfalls blonde und schwangere Frau, in einem anderen Raum, wartend. Was zunächst nicht zuzuordnen ist, wird im Laufe der Handlung als variiertes Motiv immer wieder ins Spiel gebracht werden. Zunächst jedoch scheint es die Geschichte von Adam Bell (Jake Gyllenhaal) zu werden, einem farblosen und introvertierten Geschichtsprofessor an der Universität von Toronto. Während er seinen desinteressierten Studenten die Strukturen von Macht und Dialektik nahe zu bringen versucht, verstrickt er sich in seinen endlosen Tafelbildern in einem Labyrinth des Kontrollphantasmas, das fast schon in Paranoia kippt.
Wer von Denis Villeneuve ein klassisches Mind-Game-Movie erwartet, wird eher enttäuscht werden, geht es doch weniger um eine vertrackte Narration, die sich zum Schluss in ein Aha-Erlebnis verwandelt, sondern um eine atmosphärische Reise in die Zerrissenheit der menschlichen Seele, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantworten möchte. Insofern bewegt sich "Enemy" durchaus auf den Pfaden von Cronenberg und Lynch, was auch in der Besetzung von Sarah Gadon ("Cosmopolis") und Isabella Rossellini ("Blue Velvet") beabsichtigt zu sein scheint. Die leider viel zu kurze Szene mit der Kult-Schauspielerin bildet so auch einen Schlüsselmoment, als sie von ihrem verwirrten Sohn aufgesucht wird, der sich vergewissern will, ob er möglicherweise einen Zwillingsbruder habe, doch die Begegnung stürzt diesen nur noch tiefer in die Angst. Sie habe nur einen Sohn und er nur eine Mutter, antwortet sie kühl und im Anschluss sehen wir ein gespenstisches, schmutziges Stadtbild von oben, durch das eine riesige Spinne watet. Äußerlich ist sie wohl nicht zufällig der berühmten Skulptur von Louise Bourgeoise nachempfunden, die sie "Maman" genannt hat - für die Künstlerin war die Spinne ein Symbol des Webens und des Schutzes, hier jedoch ist das Mütterlich-Weibliche Ausdruck einer Urangst, welche die männlichen Protagonisten in ihrer Abwehr der Intimität durch Versuche der Kontrolle immer wieder heimsuchen wird.
Ebenso wie das Eingangszitat aus dem Roman "chaos is order yet undeciphered" andeutet, gibt es, wie im psychisch Unbewussten, keine klare Verortung, alles ist mit allem verbunden und auch Widersprüche können koexistieren.
Villeneuve spinnt gelungen die Fäden eines alptraumhaften Soges in kunstvoll komponierten Bildern, deren unheimlicher Gelbton sich mit den Dissonanzen der begleitenden Streicher zu einem Netz aus spannungsvollen Abgründen verknüpft.
(Silvia Bahl - biograph)