Flug 93
USA 2006, Laufzeit: 111 Min., FSK 12
Regie: Paul Greengrass
Darsteller: Lewis Alsamari, J.J. Johnson, Trish Gates, Polly Adams, Cheyenne Jackson, Opal Alladin, Nancy McDoniel, Starla Benford, David Alan Basche, Richard Bekins, Susan Blommaert
Die Auswirkungen von 9/11 sind politisches Tagesgeschehen, aber die Ereignisse selbst scheinen lange genug vorbei zu sein, um filmisch umgesetzt zu werden. Bevor Oliver Stone im Sommer den Spielfilm zum Attentat liefern wird, hat sich der Brite Paul Greengrass ("Bloody Sunday") die Geschichte des Fluges vorgenommen, der das Ziel seinerzeit nicht erreichte, und als packendes Dokudrama inszeniert.Am 11. September 2001 endete das trügerische Gefühl der Sicherheit in unserer hochtechnisierten Gesellschaft mit einem lauten Knall. Zwei von vier entführten Flugzeugen schlugen ins World Trade Center, eines zerstörte Teile des Pentagons, während das letzte sein Ziel nicht erreichte. "Flug 93" schildert die Ereignisse dieses letzten Fluges am Boden und in der Luft nach den Originalprotokollen. Aus Regierungsdokumenten, Tonbandaufzeichnungen und Interviews mit Angehörigen, Angestellten der Flugsicherung und des Militärs verwebt Regisseur Greengrass seine Dramatisierung der Ereignisse. Zum Teil spielen sich die damalig beteiligten Fluglotsen und Militärs selbst. Der Rest der Besetzung ist wenig bekannt, was die authentische Wirkung des Films noch unterstreicht. Die Minuten kurz vor dem Absturz sind gezwungenermaßen fiktional, denn die Protokolle enden mit den letzten Handygesprächen, die aus dem Flugzeug geführt wurden und der Aufforderung des Passagiers Beamer zum Angriff ("Let's roll"), die glücklicherweise im Film nicht zur Propaganda hochstilisiert wird, wie in den Kampfesreden von George W. Bush. Insgesamt umschifft Greengrass sicher die gefährlichen Klippen einer Parteinahme. Weder greift er auf übliche Katastrophenfilmdramaturgie zurück, in dem er die Passagiere mehr als auf ihre Anwesenheit charakterisiert, noch nimmt er Stellung gegen die Attentäter ein. So ist der Film weit mehr dem Dokumentarischen verpflichtet als dem Spielfilm, auch wenn die Realität mit allen verfügbaren filmischen Mitteln sehr glaubhaft inszeniert wird. Einen besonderen Fokus setzt Greengrass auf das Thema Kommunikation mit technischen Hilfsmitteln. Handy- und Funkgespräche sind allgegenwärtig und doch merkwürdig sinnentleert angesichts einer solch' extremen Situation.In den USA wurde der Film kontrovers aufgenommen. Das mag an der tiefen Wunde liegen, die 9/11 hinterlassen hat oder doch nur daran, dass "Flug 93" die gewohnte Katharsis de facto nicht aufkommen lässt.
(Eric Horst, playtime by biograph)