Fraktus
D 2011, Laufzeit: 95 Min., FSK 12
Regie: Lars Jessen
Darsteller: Devid Striesow, Heinz Strunk, Rocko Schamoni, Jacques Palminger, Piet Fuchs, Anna Bederke, Hannes Hellmann
>> www.fraktus.de
Endlich sind sie wieder da: FRAKTUS. Sie gelten als Pioniere der elektronischen Musik und Erfinder des Techno-Beats. Und es wäre einfach zu schön, wenn das alles wahr wäre. Tatsächlich haben die Hamburger Jungs von Studio Braun (Heinz Strunk, Rocko Schamoni & Jacques Palminger) ihre kreativen Säfte sprudeln lassen und eine Mockumentary geschaffen, die das deutsche Musikbusiness treffend persifliert und darüber hinaus stilsicher den Bogen von den 80ern bis in die Gegenwart schlägt.
Verschwende Deine Jugend! So hieß ein Lied der Düsseldorfer Band DAF und so hat Jürgen Teipel Anfang 2000 sein Buch genannt, das die Entstehung der deutschsprachigen Punkmusik, New Wave und Neue Deutsche Welle dokumentiert. Ein kleines Revival mit Ausstellungen, Wiederveröffentlichungen und Band Reunions ließ nicht lange auf sich warten und zollte vielen vergessenen Machern von damals den verdienten Respekt. FRAKTUS würden dazu gehören, wenn es sie wirklich gegeben hätte. Doch nun sind sie da und es macht großen Spaß, sich dieser Illusion hinzugeben, denn Artwork und Habitus entsprechen ziemlich genau der Vorstellung von dieser so seltsamen Zeit.
Musikmanager Roger Dettner (Devid Striesow) hat sich vorgenommen, FRAKTUS nach 25 Jahren wieder groß heraus zu bringen. Unter dem Vorwand, einen Dokumentarfilm zu drehen, macht er sich auf die Suche nach den Musikern. Es wird zu einer Reise ins Herz des Blödsinns. Der Sänger Dickie Schubert (Rocko Schamoni) betreibt inzwischen ein Internetcafé, Elektronik-Tüftler Bernd Wand (Jacques Palminger) macht Klangexperimente mit seinen Eltern unter Ausschluss der Öffentlichkeit als FRAKTUS II und Torsten Bage (Heinz Strunk) ist erfolgreicher Produzent für Partyhits auf Ibiza. Schließlich schafft es Dettner, die drei wieder zu vereinen, doch die können sich nach der damaligen Trennung immer noch nicht richtig leiden. Seinerzeit war die Location bei einem Auftritt abgebrannt und es gab Probleme mit der Versicherung. Letzte Chance verspricht Star-Produzent Alex Christensen (gespielt von ihm selbst), allerdings lässt der vom damaligen Sound wenig übrig. Während Manager Dettner zunehmend mental abbaut, stellt sich die große Frage, ob es FRAKTUS noch einmal schaffen werden.
Die Form des Dokumentarfilms bietet allerhand Raum für Schabernack, besonders wenn das Sujet selbst erfunden ist. Die Jungs von Studio Braun wissen das in FRAKTUS für ihren eigensinnigen Humor perfekt zu nutzen und generieren ein buntes Panoptikum von Peinlichkeiten, das den geneigten Betrachter genau dort zu packen weiß, wo Freude und Schmerz so nahe beieinander liegen. Regisseur Lars Jessen („Dorfpunks“) und Devid Striesow in der Hauptrolle sorgen dafür, dass das auch auf Spielfilmlänge wunderbar funktioniert. Ganz besonders gefallen die gefakten 80er-Archivaufnahmen und Videoclips inklusive Auftritt bei der Musiksendung „Formel Eins“. Da werden Erinnerungen wach. Die eingestreuten Interviews mit den Stars von damals und heute wie Marusha, Stephan Remmler, Westbam, Dieter Meier, Blixa Bargeld und Jan Delay untermauern die große Bedeutung von FRAKTUS für die Musikwelt. Endlich gibt es einen Heimatfilm über eine Kultband, die es niemals gegeben hat.
(Eric Horst - biograph)