Frau Müller muss weg!
Deutschland 2014, Laufzeit: 87 Min., FSK 6
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Gabriela Maria Schmeide, Justus Von Dohnanyi, Anke Engelke
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Basierend auf dem erfolgreichen Theaterstück von Lutz Hübner verwandelt Sönke Wortmann eine Grundschulklasse in die Kampfarena elterlicher Eitelkeit. Schließlich entscheidet das nächste Zeugnis darüber, ob ihre Kinder den Sprung aufs Gymnasium schaffen, und da die Stimmung zur Zeit recht schlecht in der Klasse ist und man gehört zu haben glaubt, dass auch die Noten schlechter als im letzten Jahr ausfallen werden, scheint für die Eltern eins klar: Frau Müller, die Klassenlehrerin, muss weg!
Und genau dafür setzt sich eine kleine Elterngruppe ein, die mit Frau Müller einen Termin am Wochenende in der Schule gemacht hat, um mit ihr Klartext zu reden. Zwar war man all die Jahre mit der warmherzigen Erzieherin zufrieden und auch die Bastelarbeiten und der Chor waren immer eine Zierde der Schule, aber jetzt geht es ans Eingemachte: die Versetzungsnoten und die sollen in Gefahr sein. „Frau Müller hat die Klasse und den Lehrstoff nicht im Griff“, so heißt es, und außerdem gibt es da das Gerücht, dass sie in therapeutischer Behandlung sei. Fünf Eltern sind auserwählt als Exekutionskommando, im Namen aller Eltern der Klasse, Frau Müller die Kunde zu überbringen. Allen voran Jessica Höhel (Anke Engelke), die typische Karrierefrau, die hier gar nicht lange diskutieren, sondern kurzen Prozess machen will. Deswegen will sie das Wort führen und möchte es am liebsten Wolf Heider (Justus von Dohnanyi) verbieten, denn der neigt in seiner passiv-aggressiven Art dazu, jede Diskussion an sich zu reißen. Doch da ist auch noch das aus dem Westen zugezogene Ehepaar Patrick und Marina Jeskow, deren so begabter Sohn früher auf der Waldorfschule immer so glücklich war und nun ausgegrenzt wird. Nur die alleinerziehende Katja Grabowski hält sich zurück. Sie ist nur aus Solidarität mitgekommen, denn einen wirklichen Grund zur Klage hat sie nicht, ist ihr Sohn doch der Klassenprimus. Doch die befürchtet langatmige Diskussion bleibt aus. Frau Müller (Gabriela Maria Schmeidel) nimmt die gestellte Vertrauensfrage überrascht, aber gefasst zur Kenntnis, lässt sich nicht in die Enge treiben und holt zum Gegenschlag aus. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, schildert sie die Probleme, die die einzelnen Schüler haben und die meisten davon sind wohl im jeweiligen Elternhaus zu suchen. Als sie fürchtet, in ihrer Wut zu weit zu gehen, verlässt sie das Klassenzimmer und ist für Stunden nicht auffindbar. Die konsternierten Eltern beschließen nach einer Weile, sie zu suchen und fangen an, sich gegenseitig zu zerfleischen. Ein wahres Gemetzel inszeniert da Sönke Wortmann, der den ach so besorgten Eltern die Maske vom Gesicht zieht und ihren wahren Charakter aufdeckt. Da geht es längst nicht mehr um das Wohl der Kinder, sondern eher um private Eitelkeiten, Vorteilsannahmen und Vorurteile, die im ungünstigen Fall auf die Kinder abfärben und ihr Verhalten im Unterricht mitbestimmen. Wortmann inszeniert dieses Kammerspiel als eloquente Komödie und zeichnet ein punktgenaues und ausgesprochen zeitgemäßes Gesellschaftsporträt, in dem sich jeder irgendwo wieder finden kann. Besonders erfrischend ist, dass er die Diskussion ums deutsche Schulsystem einmal umdreht und nicht nur den Lehrern die Schuld gibt. Meisterhaft seziert er das zwiespältige Verhalten der Eltern, die hier das Beste für ihre Kinder forden, ihnen das zuhause aber schon lange nicht mehr gewähren. Wortmann nimmt in der filmischen Umsetzung des Theaterstücks deutliche Anleihen bei Polanskis „Der Gott des Gemetzels“, steht ihm in Sachen Dialog und Timing in nichts nach und hat noch dazu ein aktuelles Thema, das zur Zeit aus der deutschen Öffentlichkeit nicht wegzudiskutieren ist.
(Kalle Somnitz - biograph)