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Gegen den Strom

Gegen den Strom
Island, Frankreich, Ukraine 2018, Laufzeit: 100 Min., FSK 6
Regie: Benedikt Erlingsson
Darsteller: Halldóra Geirharðsdóttir, Jóhann Sigurðarson, Juan Camillo Roman Estrada
>> www.gegen-den-strom-film.de

Mit seinem ebenso skurrilen wie beeindruckenden Regiedebüt „Von Menschen und Pferden" sorgte Benedikt Erlingsson international für Furore. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an seinen zweiten Film. Und – so viel sei verraten – sie werden nicht enttäuscht.

Nach außen hin führt Halla (Halldora Geirhardsdottir) ein unscheinbares Leben. Sie arbeitet als Chorleiterin, hat Freunde und ein schönes Haus, versteht sich gut mit ihren Nachbarn und mit ihrer Zwillingsschwester Ása (ebenfalls Halldora Geirhardsdottir). Kurzum: Sie eckt nicht an. Doch hinter der vermeintlich biederen Fassade steckt eine leidenschaftliche Umweltaktivistin, die sich seit Jahren gegen die lokale Aluminiumindustrie stemmt und für den Erhalt unberührter Wildnis kämpft. Unter dem Decknamen „Woman of the Mountain" sabotiert sie regelmäßig Fabriken und sorgt mit riskanten Aktionen dafür, dass Verhandlungen zwischen der isländischen Regierung und einem internationalen Investor gestoppt werden. Doch kurz bevor Halla ihr größtes und zugleich letztes Projekt in Angriff nehmen kann, holt sie die Vergangenheit ein – ihr fast vergessener Adoptionsantrag wird endlich bewilligt und droht, ihre Pläne zu durchkreuzen.
In Hallas Wohnzimmer hängen an prominenter Stelle zwei in schwarz-weiß gehaltene Porträts. Das eine zeigt Mahatma Gandhi, das andere Nelson Mandela. Ein recht offensichtlicher Wink mit dem Zaunpfeil, damit wirklich jeder Zuschauer begreift: Halla ist Überzeugungstäterin, eine Idealistin, die nicht bloß auf den nächsten Adrenalinkick aus ist. Doch im Grunde wäre so viel Gewinke gar nicht nötig. Eigentlich reichen schon die sehenswert in Szene gesetzten isländischen Landschaften aus, um zu begreifen, dass es um mehr geht, als um bloße Effekthascherei. Dass es um ganz grundsätzliche Fragen über unseren Umgang mit der Natur geht, obwohl Hallas Antworten natürlich mehr als fraglich sind. Auch wenn sich mit Sicherheit der ein oder andere Zuschauer im Kinosaal, still und heimlich, über den niedergestreckten Strommast freuen wird.
Mit Halldora Geirhardsdottir hat Benedikt Erlingsson die ideale Projektionsfläche für seine Heldin, seine Artemis, gefunden. Die Schauspielerin geht in ihrer Rolle völlig auf und wechselt scheinbar mühelos zwischen Halla und der „Woman of the Mountain". Auch ihr ist es zu verdanken, dass die beiden Handlungsebenen sich nicht gegenseitig im Wege stehen. Überhaupt ist dem isländischen Regisseur, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, ein sehr stringenter und in sich stimmiger Film gelungen, Wie schon in „Von Menschen und Pferden" weiß er seinen unverwechselbaren, trockenen Humor zielsicher und dosiert einzusetzen, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften. Immer wieder kommt es so zu absurd-komischen Momenten, vor allem in Form des vielleicht, vielleicht auch nicht Cousins Sveinbjörn (Jóhann Sigurðarson) und des nicht zu beneidenden Rucksacktouristen Juan Camillo (Juan Camillo Roman Estrada). Aber Erlingsson sorgt auch für tragische, dramatische, ja sogar spannende Momente. Und hält am Ende sogar einen echten Plot-Twist bereit.
„Gegen den Strom" bricht bewusst mit üblichen Mustern (man achte auf die Musik) und wirkt zu keiner Zeit langweilig oder beliebig. Der Film ist kein klassischer Öko-Thriller, kein a-typisches Drama und auch keine gemeine Komödie. Es ist einfach ein toller Film oder, um es mit Benedikt Erlingsson zu sagen, ein Film über eine Frau, die sich bemüht, wirklich ein Mensch zu sein.

(Conrad Rading)

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