Ich und Kaminski
Deutschland 2014, Laufzeit: 123 Min., FSK 6
Regie: Wolfgang Becker
Darsteller: Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar, Denis Lavant, Jördis Triebel, Geraldine Chaplin, Jan Decleir, Josef Hader
>> www.ichundkaminski.x-verleih.de
Wolfgang Beckers ("Good Bye, Lenin" 2003) neuer Film ist ein satirisches Roadmovie mit höhnischem Einblick in das Kunstgewerbe, basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Daniel Kehlmann. Im Mittelpunkt steht das anregende Duell zweier Hochstapler: Der eine ein ehrgeiziger, man möchte fast sagen skrupelloser Journalist, der andere ein vermeintlich blinder und notorisch übelgelaunter Maler. Das ungleiche Gespann durchlebt eine strapazierende Reise voller Schwierigkeiten und Verwicklungen.
Deutschland steht kurz vor der Jahrtausendwende. Kunstjournalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) ist ein schmieriger Egoman und Meister in Sachen Selbstüberschätzung. Seine eigene Karriere steckt in einer Flaute. Das gedenkt er zu ändern, indem er sich beim Talent von jemand Anderem bedient. Dieser Jemand ist der einst legendäre und nun in Vergessenheit geratene Künstler Manuel Kaminski (Jesper Christensen), der sein Dasein in einem entlegenen Chalet in der Zurückgezogenheit der Alpen fristet. Jener ehemalige Schüler und Freund von Größen wie Matisse und Picasso erlangte als "blinder Maler" Berühmtheit und ging mit seinen Werken in die Kunsthistorie ein. Da dieser nun am Lebensabend angelangt ist, hofft Sebastian Zöllner pünktlich zu dessen Ableben ein großes Enthüllungsbuch an den Mann zu bringen und sich damit seiner Geldnöte zu entledigen. Mit dreister Methodik dringt er in Kaminskis Haus und Privatsphäre ein, wo er ihm mit List allerhand Geheimnisse zu entlocken versucht. Als er den Künstler kurzerhand ins Auto verfrachtet, um ihn zu dessen tot geglaubter Jugendliebe zu bugsieren, muss er bald feststellen, dass er dem alten Knacker, ob nun blind oder nicht, in keinster Weise gewachsen ist.
"Sie sind berühmt. Das wollten Sie doch. Berühmt sein heißt, jemanden wie mich zu haben." lässt der Journalist an einer anfänglichen Stelle großspurig verlauten. Interessanterweise ist dies nicht allein eine Geschichte von zwei Personen, die sich und der Welt etwas vorzugaukeln scheinen, sondern im übertragenen Sinne gleichzeitig auch die Beziehungsstudie zweier Metiers, die einander ebenso sehr verachten, wie sie sich brauchen. So scheint der ruppige Maler mit seiner exzentrischen Selbstprofilierung und der konsequenten Abschirmung von der Öffentlichkeit gleichermaßen nach der Aufmerksamkeit ebendieser zu heischen. Es ist der ewige Ringkampf zwischen Presse und Kunst, den man hier mittels der beiden Charaktere reflektiert und in erdenklichster Sorgfalt zergliedert. Beide Gewerbe erfahren anhand des strebsamen Reporters und des exaltierten Künstlers karikaturistische Personifizierungen, die man schließlich miteinander in eine fahrende Blechkiste pfercht und dem anhaltenden Zweikampf überlässt.
Im Tonfall seiner Erzählung mag sich Regisseur Wolfgang Becker das ein oder andere Mal vergreifen, dank seines freudig aufspielenden und in seinen Rollen förmlich erblühenden Hauptdarstellergespanns, werden kleinere Makel aber wieder aufgefangen. Daniel Brühl hat man noch nie in einer so fiesen und unsympathischen Rolle gesehen. Seine Verkörperung des manipulativen Journalisten sorgt für Lacher, während Jesper Christensen, als mit allen Wassern gewaschener Manuel Kaminski, den Spieß immer wieder umdreht und den penetranten Piesacker mit dessen eigenen Waffen schlägt - ein amüsanter und scharfzüngiger Schlagabtausch.
(Nathanael Brohammer - biograph)