Joker
USA 2019, Laufzeit: 122 Min., FSK 16
Regie: Todd Phillips
Darsteller: Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz
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Schon im letzten Jahr rockte Todd Phillips als Produzent den Lido mit seiner Wiederverfilmung von A STAR IS BORN, überließ aber die Glamour-Show seinen beiden Darstellern Lady Gaga und Bradley Cooper. Damals 'außer Konkurrenz', stellte er sich in diesem Jahr dem Wettbewerb und überflügelte die Konkurrenz wie selten zuvor ein Film es tat. JOKER ist tatsächlich auf allen Ebenen ein Meisterwerk. Die Story als Prequel angelegt, das Art-Design beeinflusst vom New York der siebziger Jahre, ein origineller Soundtrack und bewegende Tanz-Choreographien werden noch getoppt von der sensationellen schauspielerischen Leistung von Joaquin Phoenix, die schon jetzt nach einem Oscar schreit.
Phoenix gibt in seiner einzigartigen Performance der Nemesis von Batman ein Gesicht, das hinter der Clownsmaske einen verstörten Jungen ausmacht. Der heißt Arthur und ist ein komischer Typ. Gelegentlich ist er verhaltensauffällig, weswegen er einmal die Woche zur Psychotherapie geht, aber ansonsten ist er ein guter Junge. Er sieht sich als Comedian, pflegt seine kranke Mutter und ist glücklich, wenn er Leute zum Lachen bringen kann, insbesondere die Kinder auf der Krankenstation. Doch mit seiner Clowns-Maske eckt er immer wieder an, und als ihn ein paar Teenager arg verprügeln, weil sie ihn für einen Looser halten, steckt ihm einer seiner Kollegen einen Revolver zu, damit er sich wehren kann. Doch genau der fällt ihm bei der nächsten Performance im Krankenhaus aus dem Clownskostüm, was ihm auch diesen Job kostet. Als er dann noch erfährt, dass seine Mutter gar nicht seine leibliche Mutter ist, sondern ihn adoptiert hat, bricht seine Welt vollends zusammen. Derart deprimiert, wird er von drei neureichen Bürgern Gothams in der U-Bahn angegriffen, als er einer Frau zu Hilfe kommen will. Doch diesmal weiß er sich zu wehren. Doch das ist auch keine gute Entscheidung, denn sie löst die Metamorphose des warmherzigen Jungen zum kaltblütigen Joker aus.
Diese Geburt Jokers erfahren wir hier nicht nur auf erzählerische Weise, auch visuell setzt Todd Phillips eine außerordentliche Initiationsgeschichte in Gang. Aus dem schüchternen Jungen, der wie ein geprügelter Hund durch die Straßen Gothams schleicht, wird ein selbstbewusster Clown, der durch die Metropole tanzt wie einst Fred Astaire. Sein Lachen, das anfangs so gequält und schmerzerfüllt klang, wird zu einem Lachen der Freude. Alle Demütigungen, die er ertragen musste, kehren sich um in Destruktion und Zynismus. "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" textete einst Rio Reiser, doch Jokers Rache ist perfider, seinen Spaß an der Zerstörung drückt der Siebziger-Jahre-Hit von Slade "Come on feel the Noize" viel besser aus.
"Filme sind immer ein Spiegel des Gesellschaft", meinte Todd Phillips in Venedig und tatsächlich können wir uns in seinen Bildern wiedererkennen, erkennen wir die Fratze des Neoliberalismus, die postfaktischen Reden der Politiker und den Aufstand der Massen, den er angelehnt an die Occupy-Bewegung inszeniert. Im Finale laufen alle mit einer Clownsmaske rum und keiner ist mehr in der Lage, die vielzähligen Verbrechen irgendeinem Täter zuzuordnen.
So löst sich nicht nur die gesellschaftliche Ordnung auf, auch der Ruf nach einem Superhelden, der alles wieder richten mag, war nie nachvollziehbarer. So wird aus einem Fantasy-Action-Spektakel ein hochintelligenter Film, der alle Unterschiede zwischen Mainstream und Arthaus auflöst.