Jonas (2012)
D 2011, Laufzeit: 106 Min., FSK 6
Regie: Robert Wilde
Darsteller: Christian Ulmen
>> www.jonas-derfilm.de
„Stell Dir vor es ist Schule und Du musst wieder hin!“ Ein Alptraum, der wohl nicht nur Christian Ulmen plagt, er soll der meist geträumte Alptraum überhaupt sein. Und Ulmen geht das Problem an, er lässt sich auf der Paul Dessau-Gesamtschule in Brandenburg einschulen, um das Abi nachzuholen. In einer Art Experiment geht er noch einmal sechs Wochen zur Schule. Der Rektor hat die Filmarbeiten genehmigt, die Lehrer sind insofern eingeweiht, als sie wissen, dass da ein Schauspieler zur Schule kommt, doch die Mitschüler wissen nichts über den neuen Schüler, der mit viel Maske auf 18 Jahre getrimmt ist.
Christian Ulmen hat uns in „Herr Lehmann“, „Elementarteilchen“ oder „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ viele schöne Kinostunden bereitet. Im Fernsehen hat er dagegen schon bei seinen MTV-Produktionen „den alltagsroutinierten Geist des Publikums überfordert“, wie er es einmal selbst beschrieb. Auch seine Serie „Mein neuer Freund“ blieb umstritten. „Jonas“ hört sich da zugegebenermaßen so an, wie eines jener Fernsehprojekte, entwickelt aber schnell Kinoformat. Ach wenn man sich nicht vorstellen kann, dass da ein Enddreißiger, auf Abiturient geschminkt, wieder die Schulbank drückt, seine Mitschüler von dem Projekt nichts wissen und ihn dennoch am Ende als Kameraden akzeptieren, diesmal geht der Versuch auf.
Die Dreharbeiten begannen schon Wochen vor dem Auftritt Ulmens, um die Schüler an die Kamera zu gewöhnen. Später ist es umgekehrt, da kommt Ulmen sogar zur Schule, wenn gar nicht gedreht wird. Er sitzt die vollen sechs Wochen ab. Klar merken die Schüler, dass da was nicht stimmt, einer fragt ihn, wie er den Film „Männerherzen“ fand, doch Ulmen bleibt in seiner Rolle, antwortet, dass er nicht ins Kino gehe und folgt konzentriert dem Unterricht. Er gründet eine neue Schulband und gewinnt so schnell Freunde, er hält Referate, vergisst die Schularbeiten und verliebt sich ein wenig in seine Musiklehrerin. Sein Team war dabei nur notdürftig eingeweiht und wurde, wie auch der Zuschauer, ein ums andere Mal von seinen Improvisationen überrascht. Aber auch umgekehrt ließ man Ulmen allein: wenn er Schulmaterial brauchte, musste er es sich selbst besorgen, wenn er kein Bock auf Hausarbeiten hatte, musste er sie auf dem Schulhof abschreiben oder es vor der Klasse eingestehen. Und die Logarithmus-Rechnung musste er sich notdürftig mit einigen anderen Schülerinnen via Nachhilfe reinziehen.
Damit gelingt es Ulmen, ein realistisches Bild von Schule heute zu zeichnen und das Überraschende ist, dass sich gar nicht soviel verändert hat, wie die Medien uns immer glauben machen. Klar, hat man sich eine Schule ausgesucht, in der der Migrantenanteil relativ gering ist, die Schule liegt auch nicht im Zentrums Berlins, sondern in einer verträumten Gegend in Brandenburg. Die Schüler sind vielleicht etwas forscher, wenn es um die Noten geht, aber zu groben Störungen kommt es hier nicht und die Lehrer sind so wie immer, es gibt gute und schlechte und der Mathe-Lehrer scheint immer noch stolz darauf zu sein, dass ihn keiner versteht.
So glückt Ulmen ein Projekt, dass irgendwie zwischen Spiel-, Experimental- und Dokumentar-Film angesiedelt ist und von dem man nicht geglaubt hätte, dass es funktioniert. Doch er braucht nicht lange, um uns an unsere eigene Schulzeit zur erinnern und der Ausgangspunkt, Ulmens Alptraum, ist wohl ziemlich weit verbreitet, denn 70 Prozent der Deutschen sollen ihn schon geträumt haben.
(Kalle Somnitz)