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L'enfant - Das Kind

L'enfant - Das Kind
Frankreich/Belgien 2004, Laufzeit: 95 Min.
Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Darsteller: Jérémie Renier, Déborah Francois, Jérémie Segard, Fabrizio Rongione,, Stéphane Bissot, Mireille Bailly, Anne Gérard, Bernard Marbaix, Frédéric Bodson, Léon Michaux, Samuel De Ryck, Hachemi Haddad, Olindo Bolzan, Sofia Leboutte, Marie-Rose Roland, Annette Closset, Philippe Jeusette

Zum zweiten Mal gewannen die belgischen Ausnahme-Regisseure Jean-Pierre und Luc Dardenne die Goldene Palme in Cannes und dürfen sich damit zu einer erlauchten kleinen Gruppe zählen, zu der auch der diesjährige Jury-Präsident Emir Kusturica gehört. Ihr schnörkellos authentischer Stil ist einzigartig und fokussiert diejenigen, die normalerweise am Rande der Gesellschaft stehen. Frei, verloren und unberechenbar sind die Figuren in den Filmen der Dardenne-Brüder und berühren dabei zutiefst ohne unnötige Sozialromantik. Zwischen Plattenbauten und Fabrikgebäuden, grau in grau, liegt das Viertel der Arbeitslosen, der Mittelosen im belgischen Seraing. Sonia hat gerade das Krankenhaus verlassen, auf ihrem Arm ihr Neugeborenes. Sie sucht den Vater des Kindes, Bruno, gerade mal zwanzig, zwei Jahr älter als sie. Als sie ihn endlich findet, wird daraus kein großes Ereignis gemacht. Da schimmern keine Existenzängste der beiden arbeitslosen Jugendlichen durch, Bruno geht seinen kleinkriminellen Geschäften nach. Das Geld, das er gerade eingenommen hat, gibt er für einen Kinderwagen und ein Cabriolet aus, das er gerade mal für einen Tag gemietet hat. Kein Gedanke an ein Morgen. Trotz miserabler Lage, scheint die Last sie nicht zu erdrücken, kein frühreifes Leiden zeichnet die Gesichter. Ganz im Gegenteil scheinen sie einfach schieren Spaß am Leben zu haben. An Geld käme er leicht, meint Bruno und ist sich dabei ganz und gar sicher. Geld ist dazu da, um sich das nächste Spielzeug zu kaufen, ob es ein neuer Hut ist oder Lederjacken im Partnerlook. Als Bruno erfährt, wie viel Geld er für das Baby bekommen könnte, zögert er nicht lange. Schließlich ist es kein Problem, einfach ein Neues machen. Wenn Sonia Lust darauf hat. Doch bald ist klar, das Kind, das ist Bruno... Dass die Dardenne-Brüder vom Dokumentarfilm kommen, das merkt man ihnen an. Dass sie diese Erfahrung kunstvoll und unaufdringlich einzusetzen wissen, ist das Besondere. Hier dominieren nicht die Geschichte, nicht die filmischen Mittel, sondern alles erwächst allein aus den Figuren heraus. Selbst die Schauspieler stellen sich nicht dar, sondern scheinen unberührt gegenüber dem Auge der Kamera, das ihnen folgt, sich dem Rhythmus, den Launen unterwirft. Es könnte eine Dokumentation sein, wäre die Erzählung bruchstückhafter und würden sich die Personen beobachtet fühlen, sich für die Kamera verstellen und sie damit präsent und observierend wirken lassen. Doch alles andere als unangenehm fühlt sich die Beobachtung für den Zuschauer an, es ist fast so, als ob sich der eigene Blick unbemerkt an Menschen heften würde, die aus einem bestimmten Grund unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und nun hätte man die Möglichkeit, die Verfolgung aufzunehmen, ohne voyeuristische Lust, sondern mit urteilsfreiem (Er)staunen. So mag es den Dardenne-Brüdern ergangen sein, als sie eines Tages eine junge Frau beobachteten, die immer wieder mit teilnahmslosen Gesichtsausdruck und Kinderwagen eine Straße entlang lief. Diesem Blick entsprang die Geschichte. Woher kommen diese Figuren? Sie setzen sich zusammen aus zahlreichen Beobachtungen, frei davon, ein Muster erkennen zu wollen, unkonventionell, keiner Logik unterworfen und dann wieder doch, der Logik eines Kindes vielleicht, das einen überrascht.

(Alexandra Kaschek, playtime by biograph)

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