Like A Complete Unknown
USA 2024, Laufzeit: 140 Min., FSK 6
Regie: James Mangold
Darsteller: Timothée Chalamet, Elle Fanning, Monica Barbaro
>> www.youtube.com/watch?v=nyIknvGt8Lg
Starker Auftakt der diesjährigen Berlinale: Timothy Chalamet, einer der heiß begehrtesten Stars des Festivals, machte nicht nur die Fans mit seinem rosafarbenen Outfit auf dem Roten Teppich verrückt, sondern hatte mit seinem furiosen Dylan-Biopic LIKE A COMPLETE UNKNOWN auch einen hervorragenden Film im Gepäck.
Fünf Jahre hatte er sich auf seine Rolle intensiv vorbereitet, auch singt und spielt er alle Songs selbst, ein Wagnis, das aufgegangen ist. Regisseur James Mangold konzentriert sich auf die Anfangsjahre der Musik-Ikone, verfolgt den Aufstieg des „complete unknown" aus Minnesota bis zu dessen provokanten Auftritt beim Newport Folk Festival, als er die elektrische Gitarre in die Hand nahm und damit die Folk-Szene brüskierte, aber auch einen wegweisenden Schritt hin zum Rock'n'Roll und zu seinem ganz eigenen Stil machte.
An die Seite seines schillernden Protagonisten stellt Mangold weitere starke Figuren, die Dylans Leben und Karriere entscheidend bestimmt haben. Da ist sein Entdecker und Förderer Pete Seeger, die Folksängerin Joan Baez und Dylans Freundin Silvie Russo, eine fiktionalisierte Version seiner damaligen Lebenspartnerin Suze Rotolo. Während Ed Norton und Monica Barbaro für ihre Rollen ebenso wie Chalamet für den Oscar nominiert wurden, ging Elle Fanning als einzige leer aus, obwohl auch sie als Silvie einen starken Auftritt hinlegt.
Als Basis diente Mangold das Sachbuch „Dylan Goes Electric!" von Elijah Wald. Ausgangspunkt ist Dylans Besuch des von ihm heiß geliebten Folksängers Woody Guthrie, den er im Krankenhaus besucht und etwas auf der Gitarre vorspielt. Dort lernt er Seeger kennen, der von seinem Spiel beeindruckt ist und ihm eine Auftrittsgelegenheit im New Yorker Greenwich Village gleich nach einem Auftritt von Joan Baez vermittelt. Nicht nur diese, sondern auch ihr Manager begeistern sich schnell für den jungen Mann. Sein erster Plattenvertrag bringt ihm vorerst nur die Gelegenheit, sein Talent mit Coverversionen bekannter Songs unter Beweis zu stellen. Doch seine Auftritte in den Clubs, bei denen auch seine eigenen Songs spielt, werden bald begeistert gefeiert und er wird zum Idol der politisch bewegten Friedens- und Bürgerrechtsbewegung.
Seine Beziehung zu Silvie bekommt Risse und geht schließlich in die Brüche, als aus Joan Baez nicht nur seine zeitweilige Duettpartnerin, sondern auch Liebespartnerin wird. Doch auch diese Beziehung steht bald auf der Kippe durch Dylans eigenwilliges und selbstbezogenes Verhalten. Mangold glorifiziert seinen Protagonisten glücklicherweise nicht, er macht die Brüche deutlich, bewahrt gleichzeitig aber auch die geheimnisvolle Aura seines Stars, der sich zeitlebens so wenig wie möglich in die Karten schauen lassen wollte und sich jeder Vereinnahmung entzog.
Statt diese schillernde Figur wie bei Todd Haynes von sieben verschiedenen Schauspielern darstellen zu lassen, setzt Mangold ganz auf Chalamet, der seine Rolle kongenial ausfüllt. Die zweite Hauptrolle im Film spielt aber die Musik selbst, die hier genügend Raum bekommt, um die große Kunst Dylans auch einer neuen Generation nahezubringen. Dylan selbst äußerte sich positiv über den Film, eine Anerkennung, die seinen Machern vielleicht mehr wert ist als alle Oscar-Weihen.
(Anne Wotschke)