Mein liebster Alptraum
Frankreich / Belgien 2010, Laufzeit: 102 Min., FSK 12
Regie: Anne Fontaine
Darsteller: Isabelle Huppert, Benoît Poelvoorde, André Dussollier, Virginie Efira, Corentin Devroey, Donatien Suner
>> www.liebsteralptraum.de/
Als Liebeskomödie getarnt kommt mit ‚Mein liebster Alptraum‘ ein französisches Gipfeltreffen auf den geneigten Zuschauer zu. Ausnahmeschauspielerin Isabelle Huppert spielt in einer ihrer seltenen komödiantischen Darbietungen eine kultivierte Galeriebesitzerin, deren eventuell vorhandene Leidenschaft von ihrer mit Contenance gelebten Hingabe für die Kunst untergraben wird. Während ihr Verleger-Ehemann, gespielt von André Dussollier, ihre kühle Distanziertheit passiv hinnimmt, fühlt sich Benoît Poelvoorde („Nichts zu verzollen“, „Die anonymen Romantiker“) als Draufgänger Patrick durch sie herausgefordert und holt aus zu einer unglaublichen Serie von sozialen Querschlägen.
Alles fließt behäbig die Seine herab im vornehmen Stadtteil von Paris, wo Agathe und André mit ihrem Sohn zuhause sind. Ihr Familienleben ist durchsetzt von elitärer Eleganz und Langeweile, während sich das Paar körperlich schon lange nichts mehr zu sagen hat. Die Geschichte gewinnt jedoch schon bald an Tempo und Spannung, als eines Tages Gelegenheitsarbeiter Patrick vor ihrer Tür steht, um seinen Sohn abzuholen. Die Freundschaft der Jungs führt zu einer Annäherung zwischen den beiden Vätern. Gerade für André ist es eine willkommene Gelegenheit, um aus sich herauszukommen und eine andere Art von Leben kennenzulernen. Denn Patrick ist das krasse Gegenteil von dem, was den Verleger ausmacht: ungebildet, respektlos Frauen und den gesellschaftlichen Regeln gegenüber, aber auch lebensfroh, spontan und ungezwungen. Patrick, der mit seinem Sohn in einem Lieferwagen wohnt und auf die Wohlfahrt angewiesen ist, wird für ihn zum Freund. Durch ihn lernt er auch Julie kennen, die in ihm schon bald romantische Gefühle erweckt.
Kunstsammlerin Agathe ist wiederum ganz und gar nicht angetan von Patricks aufdringlicher Präsenz, die er zu den unpassendsten Gelegenheiten zum Besten gibt. Trotz ihrer unübersehbaren Ignoranz und Verachtung ihm gegenüber kann sie ihn nicht ohne weiteres abschütteln und fängt allmählich an, den Rüpel mit anderen Augen zu betrachten. Dabei muss sie feststellen, dass die beiden doch einiges verbindet, was jedoch unter der Oberfläche schlummert. Lange kann sie dem charmanten Mann nicht widerstehen, der sie immer häufiger zum Lachen und ihre kühle Fassade zum Schmelzen bringt.
Isabelle Huppert und Benoît Poelvoorde ergänzen sich großartig in der Rolle des ungleichen Paares. Agathes Wandel von der unterkühlten Intellektuellen zu einer lebenslustigen und humorvollen Frau wird überzeugend dargeboten, wie auch die feineren Nuancen ihrer Persönlichkeit. Obwohl Poelvoorde schon öfter in Filmen als charmanter Chaot und Draufgänger inszeniert wurde, übertrifft er sich hier an Dynamik und Überzeugungskraft. Die erste Zusammenarbeit der beiden Schauspielstars kann nur als Gewinn gesehen werden. Erstmals in dieser Zusammenstellung tritt auch André Dussollier auf den Plan, durch den die ungewöhnliche Dreierbeziehung einen ausgleichenden Pol erhält. Regisseurin Anne Fontaine („Coco Chanel“ mit Benoît Poelvoorde als Etienne Balsan) präsentiert ein rasantes Großstadtmärchen über eine unmögliche Liebe mit Überraschungen.
(Eleni Giannakoudi)