Meine Zeit mit Cézanne
Frankreich 2016, Laufzeit: 113 Min., FSK 0
Regie: Danièle Thompson
Darsteller: Guillaume Gallienne, Guillaume Canet, Alice Pol
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Ausgangsstoff mit enormem dramatischen Potenzial! Im Fokus stehen zwei Genies, die ungleicher nicht sein könnten: Einer aufbrausend, cholerisch und destruktiv. Der Andere introvertiert, offenkundig sensibel und ein Magier des Wortes. Die Rede ist von Paul Cézanne und Émile Zola, beides Poeten ihrer jeweiligen Künste, beide hochgradig sensitive Naturen. Zeitlebens verband sie eine innige, aber auch oftmals überaus komplizierte Freundschaft, die gelichermaßen inspirierend und aufzehrend war. Bis es schließlich nach Zolas entlarvendem Roman "Das Werk" zum endgültigen Bruch kam.
Im vielversprechenden Prolog werden in pittoresker Manier die charakteristischen Farbspielereien Cézannes eingeflochten. Viel Potenzial für die visuelle Gestaltung, das im nachfolgenden Film teilweise ungenutzt bleibt. Nach der Publizierung des Romans "Das Werk" besucht Cézanne (Guillaume Gallienne) seinen Kindheitsfreund Émile Zola (Guillaume Canet) auf dessen Gut und konfrontiert den Schriftsteller mit den Enthüllungen über seine Person, welche dieser im Buch nicht nur marginalisierte, sondern unfreiwillig zum zentralen Motiv machte und die schwierigsten Episoden mit seinem Malerfreund in Prosaform verarbeitete. Ein Streit entbrennt, der Zola wieder und wieder in die Erinnerungen zurückwirft und die Geschichte ihrer innigen Freundschaft noch einmal von Beginn an durchleben lässt. In Aix-en-Provence fing es an, bis sie als junge Männer von der Metropole Paris, Stadt der Kunst und Künstler, angezogen wurden wie Motten vom Licht. Beide frönen einem Dasein in der Bohème, streifen durch Galerien, Weinkeller, verzehren sich nach Frauen und mischen gemeinsam mit ihren Compagnons die kultiviert konservativen Kreise auf. Cézanne eckt mit seiner Unersättlichkeit und seinem Streben nach äußerster Perfektion an, derweil Zola, der im Gegensatz zu seinem hitzigen Freund sehr arm aufwuchs, schon früh große Erfolge mit seiner Schriftstellerei verbuchen kann. Stets im Banne des Anderen, reißen die auseinanderdriftenden Lebensumstände der beiden, da Cézanne von seiner gutsituierten Familie keine Unterstützung mehr erhält, auseinander und eine Kluft vergrößert sich, die ihre Freundschaft schlussendlich zu zerstören droht.
Hochspannend ist diese platonische Liebe jener beiden außerordentlich begnadeten Persönlichkeiten. Nachdem die erste Begegnung und die Kindheit rasch abgespult werden, findet der Film zu seiner Hochform, als die beiden Männer im Erwachsenenalter miteinander hadern. Ein energisch aufspielender Guillaume Gallienne, der den Maler mit viel Temperament portraitiert, wird konterkariert vom zurückhaltenden, aber umso intensiveren Spiel seines stilleren Leinwandpartners Guillaume Canet. Das bipolare Verhalten Cézannes lässt Mitleid aufbringen für die ihn Umgebenden, die sich seinen sporadisch auftretenden Wutanfällen ergeben. Die tiefe Tragik hinter seinem Charakter wird besonders in den Dialogen zwischen Zola und den gemeinsamen Freunden deutlich, die er nach solchen Eskapaden Cézannes immer wieder aufs Neue zu beschwichtigen versucht. Ein Genie, dessen einzige und für sein Umfeld unzureichende Art des Mitteilens die Malerei darstellt. Regisseurin Danièle Thompson integriert nicht nur die schemenhaft impressionistische Ader, die Cézanne kennzeichnet, sondern auch den Geist des Naturalismus, als dessen literarischer Mitbegründer nunmehr Émile Zola gilt.
(NATHANAEL BROHAMMER )