Once Upon A Time… In Hollywood
USA 2019, Laufzeit: 162 Min., FSK 16
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino, Kurt Russell, Michael Madsen
Fast auf den Tag genau 25 Jahre nach der Premiere von „Pulp Fiction" kehrte Quentin Tarantino in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes zurück, und präsentierte dort eine weitere Hommage an die Stadt Los Angeles, diesmal verbunden mit einem nostalgischen Blick zurück auf die Umbruchszeit, in der die großen Filmstudios ihren Niedergang zugunsten des Spaghettiwestern erlebten. Brad Pitt und Leonardo DiCaprio brillieren als zwei abgehalfterte Filmsternchen und Kumpanen, die in den letzten Zügen des „Summer of Love" auf die Hippie-Sekte von Charles Manson treffen.
Der Kultcharakter, den man sich von jedem Tarantino-Film erhofft, wird diesmal bereits durch das Doppelgespann eingelöst, das insgeheim die lässige Hauptrolle spielt: Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt) und sein treuer Pittbull Brandy. Gemeinsam hausen die beiden in einem heruntergekommenen Wohnwagen nahe der Kinomeile und leben eine ganz eigene Version des American Dream. Ihr Arbeitgeber Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ist dagegen weniger grundentspannt, und bewegt sich aus Angst vor dem sozialen Abstieg immer am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der erfolglose Fernsehschauspieler wird durchweg als Bad Guy ohne Charaktertiefe gecastet, bis der windige Agent Marvin Schwarz (Al Pachino) ihm nahelegt, doch mal in einem italienischen Spaghettiwestern mitzuspielen. Cliff arbeitet als Stunt-Double für Rick, und manchmal auch als Mädchen für alles, wenn er sonst nichts zu tun hat. Da der hitzköpfige junge Mann seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgeben musste, sind vor allem Cliffs Dienste als Chauffeur gefragt. Die beiden unterschiedlichen Männer sind in ihrem Zusammenspiel für sich genommen schon pure Unterhaltung, doch Tarantino fädelt von Beginn an auf subtile Weise einen weiteren Handlungsstrang in die Geschichte ein: Ricks' Haus steht zufällig am Cielo Drive, der 1969 auf grausame Weise Berühmtheit erlangte, und die neuen Nachbarn, die in das luxuriöse Anwesen nebenan ziehen, sind niemand anderes als der aufstrebende Regisseur Roman Polanski und die wunderschöne Sharon Tate (Margot Robbie). Da die Ermordung der schwangeren jungen Frau sich ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt hat, schwebt die ganze Zeit hinweg eine schreckliche Ahnung über dem Film, ein Wissen um einen unwiederbringlichen Verlust, mit dem Tarantino nicht nur von der verlorenen Unschuld der Hippie-Generation erzählt, sondern auch einer Ära des Unterhaltungsfilms, die zu ihrem Ende gekommen ist. Als Cliff eines Tages ein junges Mädchen nach Hause fährt, das mit ihren Freundinnen ziellos durch die Stadt schlendert, kommt er dort in Berührung mit einer Kommune, deren Zusammenhalt keineswegs auf Liebe basiert, sondern auf Hörigkeit und Gewalt.
Vom Setting her ist "Once Upon A Time...In Hollywood" Tarantinos Episodenfilm "Pulp Fiction" noch am nächsten, allerdings verzichtet er auf die akribische Konstruktion von Plots und mäandert stattdessen, ganz im Sinne der "Swinging Sixties", ins Offene. Das gelingt ihm wie immer mit einem legendären Soundtrack, der seine Protagonisten beim Driften durch L.A. begleitet, und voller Atmosphäre jede Menge verlorene Orte wieder heraufbeschwört: Schillernde Lichtspielhäuser, Studios, in denen noch Bruce Lee gedreht hat, oder auch den Musso & Frank Grill, der dieses Jahr sein hundertstes Jubiläum feiert. Über den Twist am Ende darf natürlich nichts verraten werden, außer, dass das kontrafaktische Erzählen, ähnlich wie in "Inglorious Basterds", für Tarantino eine Weise ist, über Gewalt nachzudenken, und wie der Film als Medium diese binden und kanalisieren kann.