Parasite
Südkorea 2019, Laufzeit: 132 Min., FSK 16
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Kang-Ho Song, Woo-sik Choi, So-Dam Park
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Bong Joon-ho hat dieses Jahr die erste Goldene Palme für Südkorea gewonnen. In "Parasite" geht es um Fragen sozialer Ungleichheit in einer Zeit sich immer stärker polarisierender Gesellschaften: Was passiert, wenn eine Familie unterer sozialer Klasse in die Welt einer wohlhabenden Familie eindringt?
Ki-taek und seine Frau Chung-sook sind arbeitslos, die Universitätsbildung für ihre beiden erwachsenen Kinder, Ki-woo und Ki-jung können sie sich nicht leisten. Sie hausen in einem Souterrain ohne W-Lan, dafür aber mit Ungeziefer (!), Betrunkene urinieren ihnen an die Fenster.
Diese Familie erinnert etwas an die Familienbande aus "Shoplifters", der letztes Jahr mit der Palme für den besten Film ausgezeichnet wurde, liebenswert, aber dubios: Die Mutter (ehemals professionelle Hammerwerferin) ist von eindrucksvoller Stärke, Ki-taek als Patriarch amüsant, wie er vor Stolz platzt über jede noch so unbedeutende Leistung seiner (durchaus einfallsreichen) Kinder: ,,Warum gibt es an der Uni keinen Studiengang Dokumentenfälschung?" sagt er angesichts eines von seiner Tochter gefälschten Abschlusszeugnisses ,,Den würde Ki-jung mit Auszeichnung bestehen!".
Ki-taeks Familie bekommt die Chance, ihre prekäre Lebenssituation zu verändern, als Ki-woo zufällig Nachhilfelehrer für die Tochter der wohlhabenden Familie Park wird . Allmählich trickst sich die ganze Familie ihren Weg in das Haus der Parks...
Es ist ein diabolisches Vergnügen, dieser Familie dabei zuzusehen, wie sie die Parks dazu bringen, sie nach und nach einzustellen. Überhaupt ist der Film die ganze Zeit zum laut Lachen komisch- bis er es plötzlich überhaupt nicht mehr ist. Bong selbst bezeichnet den Film als "Familie-Tragikomödie". Auf jeden Fall ist es ein Genrefilm, ein vielfältiger, aber konsistenter Genre-Mix, unvorhersehbar in seinen zahlreichen Twists und immer aufregend. Jedes noch so kleine Detail des dicht konstruierten Plots zahlt sich aus. Im Koreanischen haben sie sogar schon ein Wort dafür erfunden: Bongtail. "Parasite" ist wie das Monster aus Bongs Film "The Host" (!): Er wächst weiter, indem er alles verzehrt und wird mit jeder Verwandlung, die er vollzieht, bedrohlicher.
Der Film erzählt vom Traum einer Familie unterer sozialer Klasse, trotz Klassenunterschiede als Familien zusammen in einer symbiotischen Beziehung oder zumindest in friedlicher Koexistenz zu leben. Wie die Ereignisse sich entfalten, müssen sie jedoch realisieren, dass sie immer diejenigen sein werden, die machtlos und abhängig sind, egal für wie subversiv sie sich halten. Ihnen zeigen sich die Grenzen, die sie trennen und wie parasitär das Verhältnis tatsächlich ist. Der Klassenunterschied ist allgegenwärtig, auch im Licht und räumlich, mit einer Familie nah an der Sonne und der anderen unterhalb der Flutgrenze.
Ähnlich wie Jordan Peeles diesjähriger Film "Us" thematisiert "Parasite" auch eine deplatzierte Wut über die soziale Ungleichheit, die sich nicht gegen das System richtet, das diese Ungleichheit schafft und erhält, sondern gegen jene, die an dessen Spitze stehen - und eine Sehnsucht, sie selbst zu ersetzen.
"Parasite" funktioniert als Film auch abseits einer South Koreaness perfekt. Trotzdem ist es empfehlenswert, den Film im O-Ton mit Untertiteln zu sehen, um die Darstellungen der Schauspieler (insbesondere Song Kang-ho als Ki-taek) ungefiltert zu erleben. In Bongs Inszenierung können Gefühlsregungen, die wie der Flügelschlag eines Schmetterlings sind, später einen Tornado auslösen.