Perfect Days
Deutschland, Japan 2023, Laufzeit: 123 Min., FSK 0
Regie: Wim Wenders
Darsteller: Koji Yakusho, Min Tanaka, Arisa Nakano
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78 Jahre ist Wim Wenders alt, doch sein Arbeitstempo wird immer schneller. In diesem Jahr hat er gleich zwei neue Filme auf dem Filmfestival in Cannes vorgestellt. ANSELM hat er in 3D gedreht, er läuft immer noch im Atelier, und sein zweiter, der in Cannes den Darstellerpreis gewann, kommt nun in die Kinos. Es ist sein erster Film, den er in japanischer Sprache gedreht hat. Nach der Auszeichnung in Cannes wurde er als Jury-Präsident für das Filmfest Tokio berufen und eröffnete es mit PERFECT DAYS.
Wenders wollte immer erneut einen Film in Japan drehen, doch Corona verhinderte immer noch seine Anreise. Er war mitten in den Dreharbeiten zu ANSELM, als ihn ein ungewöhnlicher Brief erreichte. Darin stellte man ihm ein Toiletten-Projekt vor, wie es in Tokio gerade umgesetzt wurde und ließ anfragen, ob er sich vorstellen könnte, ein Buch, eine Fotostrecke oder gar einen Kurzfilm darüber zu machen. Tatsächlich sind diese Toiletten, kleine Paläste, meist in öffentlichen Parks gelegen, Teil der japanischen Willkommenskultur, während sie in Deutschland eher versteckt werden. Mit dem Auftrag war auch ein Arbeitsvisum verbunden, und so fuhr Wenders nach Japan, um sich das alles wenigstens einmal anzuschauen.
"Ich muss mir immer erstmal ein Bild vor Ort machen, bevor ich mir eine Geschichte ausdenken kann." erklärte Wenders in Cannes und so entstand seine bewegende Studie eines japanischen Putzmanns: Hirayama lebt in einem winzigen Mikroapartment in Tokio. Viel mehr als sein Bett passt da gar nicht rein, der Badezimmerspiegel ist so klein, dass er immer nur einen Teil seines Gesichts sehen kann. Wenn über Tokio die Sonne aufgeht, fährt er mit dem Firmenwagen zur Arbeit. Er reinigt öffentliche Toilettenanlagen. Ein armseliges Leben? Könnte man meinen, aber er scheint mit sich im Reinen zu sein.
Er hat einen jungen, unzuverlässigen Kollegen, mit dem er meist nur mit Mimik und Gestik kommuniziert. Überhaupt redet er nicht viel. Zum Mittagessen besucht er immer das gleiche Restaurant und reinigt sich nach der Arbeit in einem öffentlichen Bad. Eigentlich verläuft ein Tag wie der andere, aber Hirayama erfreut sich an den kleinen Dingen des Lebens. Im Auto hört er alte Tonbandkassetten mit Liedern von Leonard Cohen und Patti Smith, leiht sich in einer Buchhandlung für kleines Geld gebrauchte Bücher von Faulkner und Highsmith aus. Er liebt die Schattenbilder der Ahornblätter in Wind und Sonne, nimmt sie mit seiner alten analogen Kamera auf. Zuhause hat er einige kleine Ahorn-Setzlingen, die er täglich liebevoll mit Wasser besprüht. Einmal muss er seiner Nichte Asyl gewähren, weil sie sich mit ihrer Mutter zerstritten hat, und am Ende trifft er auf den Exmann seiner Wirtin, der Krebs hat und sich bei seiner Ex-Frau verabschieden wollte. Doch er dringt nicht mehr zu ihr durch und so hinterlässt er Hirayama sein Vermächtnis, auf dass er irgendwann einmal die Gelegenheit hat, es ihr zu erzählen.
Hirayama ist vielleicht nicht das Alter Ego von Wim Wenders, aber er liebt alles, was auch Wenders liebt, ihm ist wichtig, was auch Wenders wichtig ist. Und obwohl kaum gesprochen wird, wirkt der Film eloquent und emotional berührend. Eine Charakterstudie, so dicht und schlüssig, wie sie Wenders lange nicht mehr gelungen ist. Ein besinnlicher Film, der gut in die Weihnachtszeit passt und uns an die wahren Werte des Lebens erinnert.