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Queer

Queer
Italien, USA 2024, Laufzeit: 135 Min., FSK 16
Regie: Luca Guadagnino
Darsteller: Daniel Craig, Drew Starkey, Jason Schwartzman, Henrique Zaga
>> mubi.com/de/queer

Das Verlangen, sich im anderen aufzulösen, miteinander zu verschmelzen, eins zu werden ... Nach CALL ME BY YOUR NAME und BONES AND ALL dürfte es allerspätestens mit seinem neusten Film keine reine Behauptung mehr sein, dass das der glühende Kern ist, um den sich Luca Guadagninos filmisches Schaffen kreist. Mit der Adaption von William S. Burroughs gleichnamigen Roman hat sich der italienische Ausnahmeregisseur nun nicht nur einen eigenen Lebenstraum erfüllt, sondern auch selbst übertroffen: QUEER ist (s)ein kühnes, berauschendes Meisterwerk!

Erneut erweist sich Luca Guadagnino als hochkonzentrierter Maler, der mit nervös flirrendem Pinselstrich die Leinwand zum Erbeben bringt: Jedes einzelne Bild gerät ihm zum betörenden Gemälde, das für die Ewigkeit eingerahmt gehört. Mit pastellfarbenen Gelb- und Ockertönen wird das 50er Jahre Mexiko-City wiederbelebt. In dieser modellartig inszenierten Kulisse vagabundiert der abgehalfterte William Lee (Daniel Craig) durch die nächtlichen Bars der amerikanischen Expat-Community, stets dem Alkohol (oder auch härteren Drogen) frönend. Und zuweilen Trost findend: bei jüngeren Männern in abgeranzten Hotelzimmern. Während einem seiner Streifzüge bleibt sein Blick am jungen Ex-Marine Eugene Allerton (Drew Starkey) kleben – und für einen bedeutungsträchtigen, von Nirvanas „Come as you are" unterlegten Moment scheint die Zeit geradezu stillzustehen. Es ist der Beginn eines darstellerischen Parcours von Daniel Craig, in dem er mit feiner Ironie den bemitleidenswerten Überschwang eines in die Jahre gekommenen schwulen Kavaliers zur Perfektion treibt. Lee heftet sich an die Fersen Eugenes und macht ihm den Hof. Jener quittiert die ungeschickten Avancen des Älteren erst mit spürbarem Befremden, lässt sich dann aber doch mit einer gewissen Neugierde auf die Umwerbung ein. Es sind Szenen von tragischer Komik, in denen Lee mit Possenreißerei Eugenes Aufmerksamkeit zu gewinnen sucht und im gleichen Atemzug gequält seine eigene Queerness bedauert, sich als lebende Bürde beschreibt – doch er habe sich dazu entschlossen, das ihm auferlegte Schicksal „mit Fassung zu tragen". Ein ambiguer Zustand des halbverschleierten Selbsthasses – zuweilen durchbrochen von Lust und schließlich verdoppelt durch die Drogensucht.
Hierdurch erhält der Film unterschwellig auch eine politische Dimension und visualisiert den Drang nach innerer Betäubung aufgrund der eigenen einsamen „Andersartigkeit" in einer ablehnenden, feindlich gesinnten Welt. Lees angelernte Scham für das eigene Begehren drückt sich in Fantasien aus, die ihn heimsuchen – wenn er in Gedanken zärtlich über Eugenes Wange oder nackten Rücken streicht. Traumwandlerisch bricht sich hier die ganze beklemmende Tragik unterdrückter, hoffnungszerstreuter Sehnsucht bahn. Ebenso wie in den schweißtriefenden Sexszenen, in denen Lee beinahe fiebrig sein jüngeres Gegenüber verzehrt. Hals über Kopf verliebt überredet er den allmählich von ihm gelangweilten Eugene schließlich dazu, ihn auf eine Reise in den ecuadorianischen Dschungel zu begleiten, um dort von der halluzinogenen Pflanze Yagé zu kosten. Schon vorher durchwebt von surrealistischen Momenten, entwickelt sich der Film spätestens im letzten Drittel zu einem konsequenten Drogentrip, der in einer Traumsequenz kulminiert, die selbst David Lynch vor Neid erblassen lassen könnte.
QUEER ist eine cineastische Glanzleistung von poetischer, nahezu verstörender Schönheit, in der sich Daniel Craig mit einer vielschichtigen und uneitlen Performance endgültig von seinem Bond-Image emanzipiert.

(NATHANAEL BROHAMMER)

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