Sag nicht, wer du bist
Kanada, Frankreich 2013, Laufzeit: 99 Min., FSK 16
Regie: Xavier Dolan
Darsteller: Xavier Dolan, Pierre-Yves Cardinal, Evelyne Brochu
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Im Herbst im Mais, die Blätter scharf wie Klingen
Matt513 (266), 03.09.2014
Seinen Thriller entwickelt Dolan sparsam, aber sehr effektvoll und hält dabei die Spannung gekonnt über die volle Distanz hoch. Toms Begegnung mit der Familie seines toten Freundes beginnt still, aber gerät unversehens zum Ritt auf der Rasierklinge, befeuert durch das penetrante, einschüchternde Wesen des älteren Bruders des Toten. Schnitt, Kamera, Musik und Beleuchtung sehr gelungen; daneben setzt Dolan häufig sein bzw. Toms Gesicht wie eine Projektionsfläche ein, auf der die gegensätzlichen Emotionen widerstreiten, denen Tom im Stahlbad der Geschehnisse ausgesetzt ist. Auch Francis ist nicht frei von dieser emotionalen Achterbahn. Zwar haßt er Tom für dessen Verhältnis mit seinem Bruder, aber da streitet noch etwas tief in ihm. Ich hatte im Film den Eindruck, dieser homophobe Redneck kämpfte eigentlich gegen seine wahre Natur in sich. Feel Real steht auf einem Bild in seinem Schlafzimmer. Klingt wie eine Aufforderung zum Coming-out.
Was noch auffiel: Die Lederjacke, in der die gespaltene Figur Francis steckt, dann der Song von Rufus Wrainwright. Eine Abrechnung des kanadischen Regisseurs mit dem großen Nachbarn; etwa wegen der Bigotterie, den Ressentiments gegen solche, die 'anders' sind, so wie Dolan? Als Regie-Wunderkind wird jener gehandelt, schon mit Godard in Verbindung gebracht und nach Ansicht seines neuesten Werks kann man sich dem anschließen. Ganz starker Film, unerwartet in der Umsetzung.