September 5 - The Day Terror Went Live
Deutschland, USA 2024, Laufzeit: 91 Min., FSK 12
Regie: Tim Fehlbaum
Darsteller: Peter Sarsgaard, John Magaro, Ben Chaplin
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Im Jahre 2000 gewann Kevin Macdonald einen Oscar für seinen Dokumentarfilm EIN TAG IM SEPTEMBER, in dem es um den Terroranschlag auf das israelische Sportteam bei den Olympischen Spielen 1972 in München ging. Tim Fehlbaum hat den Stoff nun mit SEPTEMBER 5 als Spielfilm inszeniert, und wer meint, dass das Thema niemanden mehr ins Kino lockt, könnte völlig falsch liegen. Auf dem Filmfest Venedig jedenfalls gab es viel Unverständnis darüber, warum diese Perle in einer Nebenreihe versteckt wurde und nicht im Wettbewerb lief.
Fürwahr hätte dieser Film den eh ziemlich schwachen Wettbewerb bereichert. Denn Fehlbaum liefert hier keine Geschichtsstunde, sondern wählt eine ausgesprochen
interessante Perspektive, um von den damaligen Geschehnissen zu berichten. Beinahe dokumentarisch folgt er einem Fernseh-Team des amerikanischen Senders ABC, das über die Sportereignisse berichten soll. Dies geschieht zum allerersten Mal live, dank modernster Satellitentechnik, die in München erstmals zur Verfügung steht. Doch anstatt neue Weltrekorde zu vermelden, wird die Redaktion zu Zeugen des Terroranschlags auf das israelische Team und muss nun live über die Geschehnisse berichten. Sie nehmen die Herausforderung an, berichten rund um die Uhr und wachsen geradezu über sich hinaus.
Unterdessen zweifelt man im Mutterkonzern in Amerika daran, ob eine Sportredaktion überhaupt in der Lage ist, von solch brisanten Vorgängen zu berichten, was eigentlich Sache eines News-Teams wäre. Doch das Team vor Ort schleust einen Mitarbeiter im Jogginganzug, der sich mit gefälschter Akkreditierung als Sportler ausgibt, ins längst von der Polizei abgesperrte Olympische Dorf. Hier macht er Filmaufnahmen und ist so nah dran am Geschehen, wie kein anderes Fernsehteam. Die Filmaufnahmen müssen dann wieder ins Pressezentrum geschmuggelt werden, um in einer eigenen Dunkelkammer entwickelt zu werden. So häuft das Redaktionsteam in kürzester Zeit derart brisantes Material an, wie es sich jeder Sender nur erträumen kann.
Bald stellen sich aber auch ethische Fragen: Was darf man zeigen, was besser nicht, worauf muss man Rücksicht nehmen, welche diplomatischen Verwicklungen stehen zu befürchten? Irgendwann wird dem Team bewusst, dass auch die Terroristen ihre Sendung schauen und dementsprechend ihr Verhalten ändern. Plötzlich sind sie selbst eine nicht unwesentliche Größe des Geschehens, was sie einerseits erschreckt, andererseits aber auch die Polizei auf den Plan ruft und die Pressefreiheit in Frage stellt. Das Team jedenfalls bleibt on air und erreicht am Ende über 900 Millionen Zuschauer. Mehr als die Mondlandung!
Tim Fehlbaum bleibt nah am Redaktionsteam, das mit John Magaro, Peter Sarsgaard und Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER) in den Hauptrollen eine eingeschworene Einheit bildet. Dabei zeigt er ihre vorbehaltlose Einsatzbereitschaft, ihre professionelle Arbeitsweise und greift dabei nicht nur historische Fakten auf, sondern stellt auch ethische Fragen. So gelingt es ihm, dank der eskalierenden Ereignisse, das Tempo stetig zu steigern und aus seinem Journalisten-Film am Ende einen atemberaubenden Medien-Thriller zu machen, der Fragen stellt, die bis heute nichts an ihrer Brisanz verloren haben. Tim Fehlbaums Film ist soeben für die Emmys nominiert worden.