Suffragette - Taten statt Worte
Großbritannien 2015, Laufzeit: 106 Min., FSK 12
Regie: Sarah Gavron
Darsteller: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Meryl Streep u.a.
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Selbst heutzutage ist die Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen in vielen Teilen der Welt noch ein brandheißes Thema. In diesem filmischen Plädoyer für Gerechtigkeit und Gleichheit erinnert Sarah Gavron an den, zumindest in unserer abendländischen Kultur, etwas in Vergessenheit geratenen Kampf der von Emmeline Pankhurst angeführten Bewegung ‚Womens Social and Political Union’ um die Einführung des Frauenwahlrechts in England. Ein bewegender und stark gespielter, filmischer Appell, der daran erinnert, dass die soziale Gleichstellung der Frau noch längst nicht überall der Norm entspricht.
Heutzutage ist es kaum vorstellbar, dass vor nicht einmal einem Jahrhundert gegenwärtige Selbstverständlichkeiten, wie z.B. das Wahlrecht für Frauen, noch zu delikaten und belächelten Angelegenheiten zählten, die in politischen Gremien von führenden Staatsmännern als lachhaft abgetan und bagatellisiert wurden. Jahrzehntelang wurde dieses gerechte Anliegen friedvoll vorgetragen. Ernstgenommen wurde es nicht. Bis Emmeline Pankhurst (Meryl Streep in einem verhältnismäßig kurzen Auftritt) 1903 in Großbritannien die "Womens Social and Political Union" gründete und aus dem sanftmütigen Protest, der zuvor kaum wahrgenommen wurde, sich eine wütende Bewegung von Frauen herauskristallisierte, die aus dem passiven Widerstand eine aggressive Offensive auf das totalitäre Regime der dominierenden Männer startete. Öffentliche Kundgebungen arteten in wilde Raufereien mit der Polizei aus, Demolierungen fanden statt und die Untergrundformation der sogenannten ‚Suffragetten’ lieferte sich ein erbittertes Katz und Maus Spiel mit der staatlichen Exekutive. Hungerstreiks im Gefängnis und fortschreitende, immer gewaltsamere Eskalation machten schließlich auch die breite Öffentlichkeit, zuletzt auch außerhalb der Insel, auf den Kampf um Würde und Selbstbestimmung aufmerksam.
Sarah Gavron, die bereits der umstrittenen Politikerin Margaret Thatcher ein filmisches Denkmal setzte, versammelt nun gleich mehrere starke, weibliche Persönlichkeiten, die alle Geschütze auffahren. Maud Watts (Carey Mulligan) gerät unfreiwillig in den erbitterten Kampf der Suffragetten - die überwiegend aus unterdrückten Frauen der Arbeiterschicht bestehen, welche ihres Lakaiendaseins endgültig müde sind - gegen die Autorität. Mit der abgewrackten Violet (Anne-Marie Duff), der smarten Apothekerin Edith (Helena Bonham Carter) und der Politikergattin Alice (Romola Garai) wird sie Teil der radikalen Truppe, die selbst vor Bombenanschlägen und dem Märtyrertod nicht zurückschreckt. Und das ist genauso spannend, wie es sich anhört! Versteckspiele mit der Polizei und zahlreiche Verhöre lassen stellenweise beinahe das Gefühl aufkommen, man schaue sich eine Art feministischen "Staatsfeind Nr. 1" an.
Dass hier keine Schwarzweißmalerei betrieben wird, ist auch dem herausragenden Spiel der männlichen Riege zu verdanken. So brilliert beispielsweise Ben Whishaw als Ehemann, der seine Frau aus Angst vor deren subversivem Drang nach Umwälzung und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Reputation der Familie aus dem Haus weist. Er bleibt in seinen Handlungen sozusagen Gefangener gesellschaftlicher Konventionen. Was hier rein thematisch schnell in Pathos hätte abdriften können, wird hier eindringlich und lebhaft skizziert, was Sarah Gavrons neuen Film nicht nur dramaturgisch ein gutes Stück von ihrem eher undifferenzierten Vorgänger "The Iron Lady" abhebt. Die starken Schauspielleistungen der Beteiligten tun ihr Übriges dazu bei, dass man bei dieser packenden Geschichtsstunde förmlich mitfiebert.
(Nathanael Brohammer)