Take This Waltz
CDN 2011, Laufzeit: 117 Min., FSK 12
Regie: Sarah Polley
Darsteller: Michelle Williams, Seth Rogen, Luke Kirby, Sarah Silverman
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Kann man in einer langjährigen Beziehung dauerhaft glücklich werden? Und wenn ja, wie? Mit leuchtenden, sommerlichen Farben erzählt Sarah Polley in ihrem zweiten Spielfilm nach „An ihrer Seite“ von einer jungen Frau, deren Ehe auf dem Spiel steht, als sie sich in ihren aufregenden Nachbarn verliebt. „Take This Waltz“ ist ein intelligenter, warmherziger und sehr wahrhaftiger Film über das Wesen der Liebe und die Sehnsucht nach einem Zauber, der nie vergehen soll und der doch im Alltag allzu häufig verloren geht.
Margot (Michelle Williams) ist Ende Zwanzig und mitlerweile fünf Jahre verheiratet mit dem bodenständigen und etwas schlichten Lou (Seth Rogen), der an einem Kochbuch über Hühnchengerichte schreibt. Man hat sich so eingerichtet, in dem kleinen Häuschen im sonnendurchfluteten Toronto und im wenig aufregenden Eheleben, das mit kindlichen Ritualen aufrecht erhalten wird. Da ist so viel Vertrautheit, dass man sich bei Zähneputzen nicht daran stört, wenn der andere währenddessen auf Toilette geht, doch irgendwie hat man sich auch nicht viel zu erzählen. Wozu auch, man lebt ja zusammen und weiß bereits alles vom anderen, so Lous Ansicht, die er ohne Zynismus vertritt, welche Margot jedoch die Tränen in die Augen treibt.
Denn Lou weiß nicht alles von ihr. Auf einer Flugreise hat sie Daniel (Luke Kirby) kennen gelernt und der Funke ist sofort übergesprungen. Tragischerweise stellt sich heraus, dass die Versuchung tatsächlich Tür an Tür wohnt; Daniel lebt nur ein paar Häuser weiter und fortan stehlen die beiden sich heimlich Augenblicke zusammen, versuchen den Konjunktiv der Affäre auszutesten, ohne einen wirklichen Ehebruch zu begehen. Margot ist süchtig nach diesen Momenten, die die Routine besiegen, nach dem erotischen Spiel mit dem Verbotenen, das ihre eingeschlafenen Sinne hochkochen lässt. Doch die Spannung des Dazwischen-Seins lässt sich nicht ewig aufrecht erhalten und Entscheidungen beinhalten immer einen Verlust.
Sarah Polley, die früher in Filmen von Atom Egoyan und David Cronenberg geschauspielt hat, liefert erneut den Beweis für ihren gelungenen Wechsel ins Regie-Fach. Es ist ein Film über das Begehren geworden und die Sehnsucht, welche sich durch die leuchtenden Primärfarben und das goldene Spätsommerlicht, das die sympathischen Darsteller umgibt, kraftvoll ihren Weg bahnen. Man kann das rauschhafte Gefühl des Verliebtseins allzu gut nachempfinden, das Margot überfällt und die Hoffnung mit diesem anderen, so viel spannenderen Mann endlich ans Ziel der Leidenschaft zu gelangen. Doch es ist jener wahre Satz der alkoholkranken Schwester Lous, der Margots Scheitern ankündigt: Manche Lücken im Leben lassen sich nicht füllen. Vor allem nicht mit anderen Menschen. Auf Daniels Frage, was sie denn so mache, antwortet Margot, sie schreibe oder sie wolle schreiben, irgendwann mal. Doch ihr fehlt der Mut ihren Traum zu verwirklichen, das erfolgreiche Buch schreibt ihr Ehemann. So drückt sich in der flammenden Leidenschaft für den ungebundenen Daniel vielleicht eher der Wunsch aus, selbst frei zu sein und die eigenen Bedürfnisse zu verwirklichen. Denn wie schon in der französischen Erfolgskomödie „Fanfan & Alexandre“ zeigt sich, dass der Zauber des blinden Verliebtseins den Alltag nie überstehen kann. Gerahmt wird die Geschichte durch eine Szene, in der Margot Muffins backt und schließlich verzweifelt neben dem Ofen zusammensinkt, was unwillkürlich Assoziationen mit der Schriftstellerin Sylvia Plath aufruft und die Zerrissenheit der fantastisch spielenden Michelle Williams, vor der sich ihre Figur am meisten fürchtet, auf den Punkt bringt. Doch ist dies nicht nur das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen zwei Männern, sondern vor allem ein innerer Widerspruch mit sich selbst, auf den nur sie eine Antwort finden kann.
(Silvia Bahl - biograph)