The Mule
USA 2018, Laufzeit: 116 Min., FSK 12
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Bradley Cooper, Laurence Fishburne
Zehn Jahre ist es schon wieder her, dass Clint Eastwood mit seinem "Gran Torino" Furore machte. Damals war er fast achtzig Jahre alt und nun folgt sein nächster Streich. Auch in "The Mule" führt der nunmehr fast 90-jährige nicht nur Regie, sondern spielt auch die Hauptrolle, den Rentner Earl, der sich als Drogenkurier anheuern lässt, denn er braucht Geld, um eine alte Rechnung zu begleichen.
Rentner ist vielleicht nicht der richtige Begriff, denn Rente vom Staat bezieht Earl nicht, im Gegenteil, er ist hochverschuldet und hat bisher versucht, seinen einzigen Besitz, seine Gärtnerei, zu erhalten. Früher hat er seine Blumen in allerlei Bundesstaaten geliefert, feinste Feste ausgestattet und keine Flower Show ausgelassen. Doch jetzt spricht der Gerichtsvollzieher das letzte Wort über seine lebenslange Arbeits- und Heimstätte, und so bleibt ihm nur sein in die Jahre gekommener Pickup Truck, mit dem er die meisten der amerikanischen Bundesstaaten bereist hat. In seiner Not zieht es ihn zurück zu seiner Familie, doch das ist vermintes Terrain. Zwar freut sich seine vor der Hochzeit stehende Enkelin, ihren Großvater einmal wieder zu sehen, doch Frau und Tochter verweisen ihn barsch des Hauses. Er hat sich sein ganzes Leben nicht um sie gekümmert und kann nun selber auch nicht auf Hilfe hoffen. Earl hat längst verstanden, dass er da etwas falsch gemacht hat, sieht ein, dass er mit seiner Prämisse "erst die Arbeit und dann die Familie" nicht richtig lag. So kommt ihm ein Kurierjob ganz recht, der ihn auf andere Gedanken bringt, quer durch halb Amerika führt und am Ende noch gut bezahlt ist. Zu gut, wie ihm bald schwant, denn die geheimen Auftraggeber buchen ihn bald wieder und sein Salär wird desto großzügiger, je wertvoller seine Ware ist. Als er die dann doch mal in Augenschein nimmt, bestätigt sich, was er eigentlich längst vermutet hat. Er hat sich mit einem mexikanischen Drogenkartell eingelassen, und so wundert es ihn nicht, dass auch die Drogenfahndung bald auf ihn Jagd macht, auch wenn die nicht unbedingt nach einem alten Mann mit schrottreifem Truck suchen. Trotzdem kommt Earl immer mehr in das moralische Dilemma, mit dem Geld viele Fehler der Vergangenheit revidieren zu können, andererseits aber auch schweres Unrecht zu begehen. Am Ende lautet seine Quintessenz, dass er sich alles kaufen konnte, nur nicht genügend Zeit.
Inspiriert von einer ähnlichen Geschichte aus der New York Times hat Nick Schenk, wie schon für „Gran Torino", das Drehbuch Eastwood auf den Leib geschrieben. Und ja, es ist absolut sehenswert, wie der die Rolle umsetzt und sowohl der hyperventilierenden Gespanntheit der Drogenbosse als auch der Hektik der unter Erfolgsdruck stehenden Drogenfahnder das Tempo eines alten Mannes abtrotzt. Dabei lässt Eastwood seinen Charakter nicht verbiegen, zu viel hat der erlebt und so sehr mit seinem Leben abgeschlossen, als dass er sich als alter Vietnam-Veteran von schießwütigen Möchtegern-Gangstern beeindrucken ließe. Er macht stur sein Ding, hält sich an keine Fahrpläne und Fahrzeiten und lässt sich auch sonst nicht vorschreiben, wie er seinen Job zu erledigen hat, er macht ihn nur zu aller Zufriedenheit. Dabei scheint es fast so, als wolle Eastwood auch uns vor der Leinwand den Spiegel vorhalten. Er schimpft auf das Gesundheitssystem, lässt sich das "texten" beibringen und ist selbst unter Zeitdruck immer hilfsbereit, egal ob es eine Lesben-Motorradgang oder eine schwarze Familie mit Autopanne ist, denen er eröffnet, wie gern er "Negern" hilft. Und tatsächlich nimmt niemand diesem alten Mann seine politischen Unkorrektheiten übel, weil man weiß, dass er das Herz am rechten Fleck hat und weil man bewundert, dass er spät, aber nicht zu spät gemerkt hat, was er in seinem Leben falsch gemacht hat.