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The Zone of Interest

The Zone of Interest
USA, Großbritannien, Polen 2023, Laufzeit: 106 Min., FSK 12
Regie: Jonathan Glazer
Darsteller: Christian Friedel, Sandra Hüller, Ralph Herforth
>> www.leoninedistribution.com/filme/172097/the-zone-of-interest.html

Sandra Hüller, die Zweite! Nach ihrem phänomenalen Auftritt im Cannes-Gewinner ANATOMIE EINES FALLS kommt nun ihr zweiter Film ins Kino, der in Cannes mit der Silbernen Palme ausgezeichnet wurde. In ZONE OF INTEREST spielt sie eine ganz andere Rolle und zeigt, wie breit ihre Schauspielkunst angelegt ist, die es ihr erlaubt, die unterschiedlichsten Charaktere überzeugend zu spielen. Dass sie in Cannes keine Auszeichnung erhielt, ist dem Reglement geschuldet, das nur eine Auszeichnung pro Film zulässt.

Die amerikanische Presse hat dies als ungerecht empfunden, zumal sie schon bei TONI ERDMANN leer ausgegangen war. Dort ist sie gerade unterwegs, um eine Auszeichnungen nach der anderen in der gerade laufenden Award Season einzusammeln. Den Preis der LA Film Critics Association hat sie schon gewonnen, für die Golden Globes, BAFTA, Satellite- und Gotham-Awardsund und für die Oscars ist sie nominiert. Wir drücken die Daumen!

In THE ZONE OF INTEREST spielt sie Hedwig, die Frau des Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höss (Christian Friedel). Gemeinsam leben sie mit ihren fünf Kindern in einem geräumigen Haus mit Gemüsegarten und Swimmingpool, quasi im Schatten des Konzentrationslagers. Hier proben sie die neue deutsche Familienidylle. Dabei sind sie Verdrängungs-Weltmeister, denn Haus und Garten sind nur durch eine Mauer vom Lager getrennt, so dass die Familie die dortigen Vorgänge zwar nicht sehen, aber hören kann. Ihr Alltag wird durch Schreie und Schüsse begleitet, wie durch das Zwitschern der Vögel, sehen können sie nur den Wachturm und den stets rauchenden Schlot des Krematoriums. Des Nachts kehren sich die Verhältnisse um, wenn die Hochöfen die Nacht zum gespenstigen Tag werden lassen und die Umgebung taghell erscheinen lässt, während das Lager im Dunkeln bleibt.

Das Höss'sche Familienidyll soll zum Vorzeigeprojekt für deutsche Familien im Osten werden. Ihre Ausblendung der Vorgänge im benachbarten Lager wird dabei immer grotesker und kann schließlich nur als Metapher des bekannten Spruchs "Davon haben wir nichts gewusst!" gelesen werden. Um diese Plattitüde für den Zuschauer erfahrbar zu machen, schöpft Jonathan Glazerdie Möglichkeiten des Kinos visuell voll aus und deutet hintergründig das Unbehagen und die Gewissensbisse an, die die Beteiligten nachts in ihren Träumen befallen.

Zehn Jahre nach UNDER THE SKIN meldet sich der britische Regisseur mit dieser recht freien Romanverfilmung zurück, dessen Schwerpunkt er auf den Familientraum seiner Protagonisten verlagert. Sight and Sound seien ihm dabei am wichtigsten gewesen, erzählte er auf dem Filmfest Rom. Am Anfang des Films bleibt die Leinwand weiß, eine Art Ouvertüre, die es der Musik erlaubt, den Zuschauer in den Film einzuführen. Sandra Hüller und Christian Friedel spielen ihre Rollen durchaus ergreifend, aber irgendwie auch so unaufgeregt, dass man sich an Hannah Arendts These von der Banalität des Grauens erinnert fühlt. Die scheint auch Glazer bedienen zu wollen, der seinen Film aus Sicht der Täter erzählt und dabei eine Perfidie zulässt, die man als eine Big Brother-Version aus dem Nazi-Haus beschreiben könnte. "Ich wollte jedenfalls keinen Museumsfilm machen, zu dem man eine sichere Distanz haben kann." führte er weiter aus. "Mit der Perspektive der Täter soll sich das Publikum unwohl fühlen, mein Film ist 'a painful pleasure'".

(Kalle Somnitz)

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