This ain't California
D 2012, Laufzeit: 90 Min., FSK 12
Regie: Marten Persiel
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Skateboarding als Lebenseinstellung steht vor allem für Individualität, Rebellion, Selbstverwirklichung, grenzenlose Lebensfreude und einen freundschaftlich-sportlichen Vergleich versehen mit einer Prise Punk-Rock. Dazu braucht es noch etwas öffentliche Provokation, Auflehnung gegen die Obrigkeit und vielleicht auch ein wenig Randale, wenn es denn sein muss. Stellt sich nur die Frage: Konnte sich eine Jugendbewegung, die auf den vorangestellten Grundsätzen aufbaut, in der DDR etablieren? Was zunächst unglaublich erscheint, zeigt Marten Persiels Dokumentarfilm „This ain’t California“ auf eindrucksvolle Weise.
Was anfangs der 80er Jahre in der DDR zunächst als Hinterhofspielereien dreier Jugendlicher begann, die sich aus Teilen alter Rollschuhe und Stuhllehnen ihre ersten Rollbretter selbst zusammenschraubten, wurde nach und nach zu einer starken Jugendbewegung mit zahlreichen Anhängern. Das zentrale Thema in Persiels Werk ist Freundschaft und getragen wird der Film von einer Geschichte, wie sie nur das wahre Leben schreiben kann. Drei Jugendliche in der DDR beschreiten einen gemeinsamen Weg, der sich erst verliert, nachdem die Grenze sich geöffnet hat. Marten Persiel bringt die ostdeutschen Skater der ersten Stunde in der Gegenwart wieder zusammen. Man erinnert sich gemeinsam an die Widrigkeiten der Anfänge, wilde Partys, erste Liebeserfahrungen und an erste Begegnungen mit dem potentiellen Klassenfeind.
Der Film zeigt, wie die Grenze zwischen Ost & West in den Köpfen der Jugendlichen bereits lange vor dem Mauerfall nicht mehr existent ist. Skateboarding als Jugendbewegung in der DDR steht stellvertretend für die Befreiung vom staatlich-sozialistischen Denken. Für eine Sportbegeisterung, ohne jeglichen Leistungsdruck, die mit den sonstigen stereotypen Vorgaben des Ostblocks nichts mehr gemeinsam hat. Es bildet sich somit ein alternatives Wertesystem. Beim ersten Treffen zwischen West- und Ost-Skatern auf einem großen Kontest in Prag kann man sie nur anhand ihrer Kleidung noch auseinander halten. Ihre Körper jedoch sind vom selben Geist beseelt. Schnell werden starke Bande geknüpft, die keinerlei Grenzen kennen. Es wird von waghalsigen und undurchdachten Schmuggelaktionen berichtet, bei denen von Skatern der Westseite aus dem Wissen über das im Osten nicht existente Angebot von Zubehör und Ausrüstung „Care-Pakete“ gepackt und über die Grenze geschafft wurden. Darin waren Skateboard-Klamotten, Rollen, Boards und sogar Rails zum zusammenstecken. Hierbei wurden keine Gedanken an eventuell drohende Strafen verschwendet. In den Herzen und Köpfen der Skater herrscht zu diesem Zeitpunkt der Geschichte bereits Einheit. Damit waren sie der Politik ein bis zwei Skateboardlängen voraus.
Der Film strotzt vor Herzblut und Authentizität streckt sich bis hin zum gesamten Produzenten- und Kreativteam, welches sowohl aus Ost- und Westdeutschen Rollsportlern und Filmschaffenden besteht. Gemeinsam setzen sie sich mit Ihrem bisherigen Lebensweg auseinander. Dabei schöpfen sie aus ihren eigenen reichhaltigen Erfahrungen und Erlebnissen ohne zu verkitschen. So entsteht eine temporeiche Collage, in der Animations-Elemente kunstvoll mit aktuellen Interviews, Fotos und Originalausschnitten aus Filmmaterial über die Rollbrettfahrer im Osten, teils noch auf Super8 gedreht, verwoben werden. Untermauert wird der Film von einem kraftvollen Soundtrack, auf dem Anne Clark, Alphaville, Feeling B. und auch die „Die Ärzte“ die Grundstimmung einer gesamtdeutschen Jugendbewegung widerspiegeln.