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Transit

Transit
Deutschland, Frankreich 2018, Laufzeit: 101 Min., FSK 12
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Franz Rogowski, Paula Beer, Godehard Giese
>> www.transit-der-film.de

„Transit" ist Christian Petzolds erste Romanverfilmung und sein vierter Anlauf auf einen Goldenen Bären. Ihm zu Grunde liegt der von Anna Seghers' im Exil verfasste gleichnamige Roman, den er kurzerhand in das heutige Marseille verlegt, wo sich nun die Figuren des Romans bewegen. Geflüchtete von damals treffen auf Geflüchtete von heute, die Geschichte trifft auf die Gegenwart, und alle Erzählungen verbinden sich zu einem ewigen Transitraum.

So ungeheuerlich die Ausgangssituation ist, so leicht kann man sie glauben. Die Deutschen haben wieder einmal Paris besetzt und lassen Frankreich insbesondere von Intellektuellen und Künstlern säubern. In letzter Minute kann Georg (Franz Rogowski) mit der Hinterlassenschaft des Schriftstellers Weigel, der sich aus Angst vor seinen Verfolgern umgebracht hat, nach Marseille fliehen. Dessen Manuskript, Briefe und die Zusicherung eines Visums durch die mexikanische Botschaft hat er ihm Gepäck. In Marseille angekommen nimmt er Weigels Identität an, versucht eine der wenigen Schiffspassagen zu ergattern und beantragt ein Visum für Mexiko, denn es darf hier nur derjenige bleiben, der beweisen kann, dass er gehen wird. Als er Weigels Ehefrau, der geheimnisvollen Marie (Paula Beer) begegnet, ändern sich seine Pläne...
Auf der Pressekonferenz räumte Petzold ein, dass seine Figuren früher oft Gespenster waren, irgendwie aus der Zeit gefallen, doch diesmal war es die Gegenwart, die ihm gespenstisch vorkam. Hatte er früher die Schauspieler seiner Rollen meist schon beim Schreiben im Kopf, war das diesmal anders, was er auch als Befreiung empfand. Anstatt Rogowski hat er sich Belmondo vorgestellt, wollte seine Traurigkeit einfangen, während Rogowski selber seine Rolle als eine Art Coming of Age-Geschichte sieht, als eine Reise, auf der der Protagonist lernt, Verantwortung zu übernehmen.
Petzolds Interesse liegt nicht so sehr auf der Geschichte, sondern eher auf dem Raum, in dem sich seine Figuren bewegen. Während die Außenräume zeitgerecht erscheinen mit modernen Polizei- und Rettungswagen, Industrie- und Hafenanlagen, scheint in den Innenräumen die Zeit stehen geblieben zu sein, statt einem Computer sehen wir eine alte Schreibmaschine, und moderne Technik wie Handys oder HiFi-Anlagen suchen wir vergebens. Petzold inszeniert einen wahren Transitraum, der einerseits ein Sehnsuchtsraum ist, in dem alle Beteiligten, von einem neuen Leben in Freiheit träumen, gleichzeitig aber auch ein Grenzraum, ein Gefängnis mit viel Stillstand ist. Seine Charaktere sind erschöpft und müde, wir belauschen ihre Gespräche in den Korridoren des kleinen Hotels, in den Wartezimmern der Konsulate, in Cafés und Bars am Hafen. Obwohl sie ständig in Bewegung sind, kommen sie nicht weiter und das vor dem Hintergrund der anrückenden Deutschen Armee.
Die Verlegung des historischen Stoffes in die Zukunft konfrontiert die Gegenwart mit der Vergangenheit, und manchmal weiß man wirklich nicht, welche Zeit einem gespenstischer vorkommt. Auf der Pressekonferenz erzählte Petzold von den Vätern unseres Grundgesetzes, die genau diese historischen Vorgänge im Kopf hatten, als sie die Paragraphen zum Asylrecht in unsere Verfassung schrieben, die wir heute versuchen, Satz für Satz wieder rauszuradieren. So gesehen ist Petzold ein hochemotionaler Film mit einer wichtigen politischen Botschaft gelungen. Schade, dass die Berlinale-Preisjury an ihm vorbei ging.

(Kalle Somnitz)

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