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Vitus
Schweiz 2006, Laufzeit: 120 Min., FSK 6
Regie: Fredi M. Murer
Darsteller: Bruno Ganz, Fabrizio Borsani, Teo Gheorghiu, Urs Jucker, Julika Jenkins, Eleni Haupt, Kristina Lykowa, Tamara Scarpellini, Daniel Rohr, Norbert Schwientek, Heidy Forster, Daniel Fueter, Livia S. Reinhard, Susanne Kunz

Ein 12-jähriger Junge klettert über den Zaun eines kleinen Privatflughafens, steigt wie selbstverständlich in eine kleine Privatmaschine und erhebt sich vor den Augen eines fassungslosen Mechanikers in die Lüfte. Wie es dazu gekommen ist, erzählt uns der Schweizer Regisseur Fredi M. Murer in seinem außerordentlich vergnüglichen, poetischen und vielschichtigem Film VITUS: die Geschichte eines hochbegabten Wunderkindes auf der Suche nach einem selbst bestimmten Leben. Schon als sechsjähriger stellt der kleine Vitus keine Kinderfragen mehr, stattdessen interpretiert er Schumann am Klavier, spielt Schach gegen sich selbst oder widmet sich der Lektüre des Brockhaus. Mit zwölf informiert er sich in der Financial Times über die Börsenkurse, zur Schule geht er mit Anzug und Krawatte. Dort ist der kleine Klugscheisser allerdings nicht allzu beliebt, und selbst die Lehrer fühlen sich von ihm auf den Arm genommen. Während sich die Mutter für ihren Sohn eine Pianistenlaufbahn vorstellt und der Vater mit seinen eigenen brillanten Erfindungen in einer Hörgerätefirma beschäftigt ist , flieht der zwölfjährige Vitus immer öfter zu seinem Großvater, mit dem er den Traum vom Fliegen teilt. In der alten Schreinerei des kauzigen Einzelgängers hat er Ruhe vor der Bevormundung der Erwachsenen, kann am Computer tüfteln und ganz er selbst sein. Als sich Vitus eines Tages nach einem waghalsigen Ikarus-Flug vom Balkon des elterlichen Hauses eine Kopfverletzung zuzieht, scheint sein Wunderkind-Dasein zur großen Enttäuschung seiner Eltern beendet und sich sein Traum von einem ganz normalen Leben zu erfüllen. Fredi M. Murer ist einer der wichtigsten Schweizer Filmemacher. In den deutschen Kinos war zuletzt sein meisterhaftes Alpendrama "Höhenfeuer" zu sehen. Die Idee zu Vitus geisterte dem Regisseur schon seit den siebziger Jahren im Kopf herum. Doch erst Ende der neunziger Jahre setzte er sich dann mit dem Theaterautor Lukas B. Suter und dem Drehbuchautor Peter Luisi zusammen, um ein Skript zu schreiben. Zunächst als Jahrzehnteporträt über die neunziger Jahre als Zeitalter der New Economy mit einem 7-Millionen-Budget geplant, änderte Murer sein Konzept, als die ausländischen Ko-Produzenten unakzeptable Bedingungen stellten und machte daraus einen Low-Budget-Film made in Switzerland, bei dem die Story auf ihren Kern reduziert wurde -die Geschichte eines hochbegabten Jungen, der auf dem Weg zu sich selbst im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf den Kopf gefallen ist und auch noch ganz nebenbei die Probleme der Erwachsenen löst. Geschadet hat es dem Projekt nicht. VITUS erreichte allein 200.000 Zuschauer in seinem Heimatland und wurde von der Schweiz als bester ausländischer Film ins Oskar-Rennen geschickt. Neben den cleveren und witzigen Dialogen tragen vor allem die Schauspieler, allen voran Bruno Ganz in der Rolle des Großvaters und Teo Gheorghiu als jugendlicher Vitus zum Erfolg des Filmes bei. Der in der Nähe von Zürich lebende Junge rumänischer Abstammung gilt selbst als Wunderkind, besucht zur Zeit die Londoner Purcell-School für musikalisch hochbegabte Kinder und gab mit zwölf Jahren sein Debüt-Konzert in der Zürcher Tonhalle. Er spielt alle Klavier-Passagen im Film selbst und weiß auch von den Problemen, mit denen sich der kleine Überflieger herumschlagen muss, durchaus ein Lied zu singen. Bruno Ganz, gewohnt brillant in seiner reduzierten darstellerischen Leistung, ist sein in sich ruhender Gegenpol, der ihn motiviert, seinen eigenen Weg zu gehen. "Für mich ist VITUS auch ein Plädoyer für mehr kreative Sensibilität und Hoffnung in die Kinder", betont Murner. Das Motiv des Fliegens wird dabei zum Anfangs- und Schlusssinnbild dafür, was es heißt flügge zu werden und neue Horizonte zu erobern.

(Anne Wotschke, playtime by biograph)

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