Vor der Morgenröte
Deutschland, Österreich, Frankreich 2015, Laufzeit: 106 Min., FSK 0
Regie: Maria Schrader
Darsteller: Josef Hader, Suely Torres, Barbara Sukowa, Matthias Brandt, Aenne Schwarz, Charly Hübner
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poetisch und traurig
mobile (174), 31.07.2016
Schon in der ersten Episode wird Zweigs Position zur Schriftstellerei und Politik deutlich. Am liebsten würde er sich aus der Politik raushalten, will sich keine Meinung anmaßen. Dies verwirrt einige Journalisten, die sich eine deutlichere Stellung von ihm erhofften. Dabei wird seine Meinung allein durch sein Verhalten offensichtlich. Eigentlich hat Zweig nämlich alles richtig gemacht. Sehr früh verlässt er Österreich und geht nach England. Und auch England verlässt er bald wieder, da er Repressalien vermutet. So gelangt er nach Amerika und insbesondere Brasilien fasziniert ihn. Den europäischen Gedanken stets im Blick, ist er begeistert von dem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Menschen dort.
Dass er allerdings gefeiert wird wie ein Popstar und sich die Menschen um ihn reißen, macht ihm sehr zu schaffen. Tränen kommen ihm, als eine grauselig spielende Kapelle einen Wiener Walzer präsentiert. Auch die vielen Briefe mit Hilfegesuchen von Freunden und Bekannten überfordern ihn. Er ist eben ein sensibler Schriftsteller und möchte am liebsten in Ruhe schreiben. Das brutale Weltgeschehen ist ihm so fremd, dass er daran zerbricht. Die Gewalt siegt über Vernunft und Humanität. Zweig war seiner Zeit weit voraus und ist so aktuell wie damals...
Warum er den Freitod wählte, ist eigentlich klar...
Mir gefällt die episodenhafte Darstellung seiner Zeit in der Emigration sehr. Das lässt Zeit für den Moment, die Gespräche, die Bilder.
Schön und traurig zugleich.
Ein schöner Film
Raspa (392), 12.07.2016
"Schön" mag etwas banal klingen, aber dieses Epitheton passt hier. Ein Film vor dem Hintergrund des Dritten Reichs, in dem es keine einzige Naziuniform und kein Hakenkreuz zu sehen gibt und der doch einen bestimmten Aspekt jener Zeit ausgezeichnet beleuchtet, nämlich das Leben im Exil. Dabei hat Zweig - wunderbar dezent gespielt von Josef Hader, den man sonst eher als hintergründigen Kabarettisten kennt - gegenüber vielen anderen Exilanten natürlich den Vorteil, ein auch im Ausland berühmter Schriftsteller zu sein. Indes, der Gestus des anderen berühmten Repräsentanten deutscher Dichtung, Thomas Manns, "Ich vertrete die wahre deutsche Kultur, und ich werde nicht ruhen, den faschistischen Ungeist anzugreifen" ( man denke an seine Radioansprachen in der BBC ), dieser Gestus liegt Zweig nicht. Er würde sich gerne irgendwo in den hintersten Winkel Brasiliens zurückziehen und einfach nur schreiben, aber das geht eben nicht unter den obwaltenden Umständen. Maria Schrader will nicht behaupten, sie wisse genau, warum er schließlich mit seiner zweiten Ehefrau in den Freitod geht ( der nur sehr indirekt gezeigt wird ), aber wer genau auf manche Sätze des Protagonisten achtet, bekommt eine Ahnung davon, warum er am Ende so verzweifelt war. Kameraarbeit, Ausstattung und Besetzung wurden ja bereits sehr zu Recht gelobt, und so kann man diesen wirklich guten deutschen Film nur wärmstens empfehlen.
Tragisches Ende
woelffchen (597), 12.06.2016
Sechs Episoden aus den letzten sechs Lebensjahren des Stefan Zweig. Ein Biopic des berühmten und beliebten Schriftstellers aus den Jahren seiner Emigration. Der Film ist in den Bereichen: Kamera, Ausstattung, Casting etc. perfekt inszeniert und überzeugt mit engagiert spielenden Schauspielern. Auch die sich im Emigrationsmilieu ergebenden Sprachenunterschiede werden in der deutschen Fassung mit angemessenen Untertiteln berücksichtigt. Der sich auf der menschlichen Ebene abspielende Entschluß, sich 1942 in der Emigration das Leben zu nehmen, bleibt allerdings unbeantwortet. Dies mag am Fehlen historischer Fakten liegen oder an mangelnder Recherche.
Gleichwohl: Für den literaturgebildeten Kinogänger ein sehenswerter Film.